Elfriede Jelineks Hörspiel Moosbrugger will nichts von sich wissen – entstanden im Zuge eines literarischen Projekts des Bayrischen Rundfunks zu Robert Musils epochalen Roman Der Mann ohne Eigenschaften – versteht sich als „eine Paraphrase auf die Figur des Mörders Moosbrugger“. Dass Jelineks Hörspiel explizit als Paraphrase tituliert wird, ist, wie Binczek konstatiert, jedoch irreführend:
„Dabei machen sowohl Jelineks Beitrag als auch der Remix [gemeint ist das literarische Projekt des Bayrischen Rundfunks; P.S.] insgesamt deutlich, dass und in welcher Weise der Bezugstext, Musils Der Mann ohne Eigenschaften, sich gerade nicht als eindeutig fixierbare und eingrenzbare Texteinheit fassen lässt. Demgegenüber erweist sich das, was von den Herausgebern als ‚Paraphrase‘, mithin als bloße ‚Nacherzählung‘ apostrophiert wird, als eine Neuerzählung […].“1
Wie Binczek betont, kann Jelineks Hörspiel – trotz der Betonung einer Paraphrase – demnach nicht als eine reine Umschreibung der Musil’schen Romanfigur Moosbrugger verstanden werden. Obwohl der Musil’sche Moosbrugger Jelinek als Ausgangspunkt dient, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass das Hörspiel thematisch auf den Ursprungstext referiert und/oder an ebendiesen anknüpft; vielmehr zeigt sich in Moosbrugger will nichts davon wissen Jelineks subversive Herangehensweise, die es ihr ermöglicht, im Sinne einer Dekonstruktion in dialogische Resonanz mit dem Ausgangstext zu treten. Hieraus ergibt sich die Frage: In welchem Maße setzt Jelinek in ihrem Hörspiel die literarische Figur Moosbrugger fort und weiter? Welche Parallelen können in der Figurengestaltung zwischen Musils und Jelineks Moosbrugger gezogen werden?
1 Natalie Binczek: Einen Text ‚zu umschneiden und von seiner Unterlage abzupräparieren‘. Elfriede Jelineks „Moosbrugger will nichts von sich wissen“. In: Natalie Binczek & Cornelia Epping-Jäger (Hg.): Das Hörbuch. Praktiken audioliteralen Schreibens und Verstehens. München: Fink 2014, S. 157-178, S. 158.