Qi LI: Autorschaft in Elfriede Jelineks Theatertext „Die Wand/Der Tod und das Mädchen V“

Was ist Autorschaft? Was macht einen Autor aus? Ist es schlicht das Schreiben von Texten, die veröffentlicht und gelesen werden, die einen Autor zum Autor machen? Noch mehr Komplexität erhält diese Frage, wenn es um Autorinnen geht. Denn diese befinden sich in einer besonderen Position, die sie oft als „die anderen“ betrachtet werden. Ihre Werke werden folglich häufig unterschätzt, ihre Autorschaft wird regelmäßig abgewertet.

Die Masterarbeit zielt darauf ab, die Autorschaft von Autorinnen zu beleuchten und legt dabei den Fokus auf österreichische Schriftstellerinnen wie Marlen Haushofer, Ingeborg Bachmann, Elfriede Jelinek, sowie der englischsprachigen Autorin Sylvia Path. Sie finden ihren gemeinsamen Anküpfungspunkt im Werk „Die Wand“ von Elfriede Jelinek.

Denn trotz zahlreicher bereits existierender Forschungsbeiträge und Literatur über Jelineks Dramen und Dramolette,1 bietet das Dramolette „Die Wand“ Raum für weitere potenzielle Interpretationen. So bietet es eine gute Gelegenheit, Einblick in Jelineks Auffassung von Autorschaft zu gewinnen. Zudem stellt „Die Wand“ eine reiche Ressource dar, um die inneren Bezüge zwischen Jelinek und anderen österreichischen Autorinnen wie Ingeborg Bachmann und Marlen Haushofer zu entdecken. Weiters dient es als radikales Beispiel für metadramatische Stücke der Postmoderne, indem es ein stereotypisches Bild von Autorinnen präsentiert und die Grenze zwischen Fiktion und Realität verschwimmen lässt.

1 vgl. Janke, Pia (Hrsg.): Jelinek-Handbuch. Wien: Praesens Verlag 2013, S. 178.

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Paulina Schmid-Schutti: Metrische Resonanzen. Musikalische Variabilität und antike Metrik in Elfriede Jelineks Theaterstück „Bambiland“ (2004)

Elfriede Jelineks Schreiben gilt als eine „Nahtstelle zwischen musikalisierter Poesie und poetisiertem Klang.“1 Der Terminus ‚Musikalität‘ verweist in diesem Kontext nicht nur auf die Fähigkeit eines literarischen Textes, klangliche, rhythmische und melodische Qualitäten abzubilden, die denen musikalischer Werke analog sind; vielmehr können literarische Texte auch die Implementierung musikalischer Konzepte in die literarische Schreibweise involvieren:

„Nicht nur in Wortgefügen, in die musikalische Kompositionen, Komponisten und klangliterarische Prätexte integriert werden, bestätigt sich die enge Verzahnung von Logos und Laut, sondern auch in diversen Textsorten, die Isomorphien mit musikalischen Formen erwägen.“2

In diesem Kontext wird Jelineks Schreibweise häufig eine inhärente ‚Musikalität‘ zugeschrieben, anders gesagt: Jelineks Texten wird damit oftmals eine eigene, tiefverwurzelte ‚Musikalität‘ attestiert. Diese Außenwahrnehnumg, die – am Rande bemerkt – sogar als ausschlaggebendes Kriterium für die Vergabe des Literaturnobelpreises an Jelinek vonseiten der Schwedischen Akademie hervorgebracht worden ist, deckt sich mit Jelineks Selbstwahrnehmung: „Auch Jelinek selbst wird nicht müde, ihre Spracharbeit als Form eines kompositorischen Umgangs mit dem Wort-Material zu beschreiben und sich selbst als Komponistin zu bezeichnen.“3 Hieraus ergeben sich allerdings folgende Fragen: Wie lassen sich die subtilen und vielschichtigen Facetten von ‚Musikalität‘ innerhalb der literarischen Ästhetik adäquat fassen? In welchem Ausmaß kann die Verschmelzung von musikalischem Klang und musiktheoretischen Konzepten in der literarischen Ästhetik festgestellt werden?

1 Janke, Pia (Hg.): Jelinek-Handbuch. Stuttgart & Weimar: Metzler 2013, S. 306.
2 Ebd., S. 306.
3 Janke, Pia: Jelinek und die Musik, S. 272. http://www.elfriede-jelinekforschungszentrum.com/fileadmin/user_upload/Janke_Jelinek_und_die_Musik.pdf (25.7.2023).

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Paulina Schmid-Schutti: „Ist das jetzt ein Monolog?“. Gestaltlosigkeit als Prinzip der Figurenkontinuität in Elfriede Jelineks „Moosbrugger will nichts von sich wissen“ (2004)

Elfriede Jelineks Hörspiel Moosbrugger will nichts von sich wissen – entstanden im Zuge eines literarischen Projekts des Bayrischen Rundfunks zu Robert Musils epochalen Roman Der Mann ohne Eigenschaften – versteht sich als „eine Paraphrase auf die Figur des Mörders Moosbrugger“. Dass Jelineks Hörspiel explizit als Paraphrase tituliert wird, ist, wie Binczek konstatiert, jedoch irreführend:

„Dabei machen sowohl Jelineks Beitrag als auch der Remix [gemeint ist das literarische Projekt des Bayrischen Rundfunks; P.S.] insgesamt deutlich, dass und in welcher Weise der Bezugstext, Musils Der Mann ohne Eigenschaften, sich gerade nicht als eindeutig fixierbare und eingrenzbare Texteinheit fassen lässt. Demgegenüber erweist sich das, was von den Herausgebern als ‚Paraphrase‘, mithin als bloße ‚Nacherzählung‘ apostrophiert wird, als eine Neuerzählung […].“1

Wie Binczek betont, kann Jelineks Hörspiel – trotz der Betonung einer Paraphrase – demnach nicht als eine reine Umschreibung der Musil’schen Romanfigur Moosbrugger verstanden werden. Obwohl der Musil’sche Moosbrugger Jelinek als Ausgangspunkt dient, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass das Hörspiel thematisch auf den Ursprungstext referiert und/oder an ebendiesen anknüpft; vielmehr zeigt sich in Moosbrugger will nichts davon wissen Jelineks subversive Herangehensweise, die es ihr ermöglicht, im Sinne einer Dekonstruktion in dialogische Resonanz mit dem Ausgangstext zu treten. Hieraus ergibt sich die Frage: In welchem Maße setzt Jelinek in ihrem Hörspiel die literarische Figur Moosbrugger fort und weiter? Welche Parallelen können in der Figurengestaltung zwischen Musils und Jelineks Moosbrugger gezogen werden?

1 Natalie Binczek: Einen Text ‚zu umschneiden und von seiner Unterlage abzupräparieren‘. Elfriede Jelineks „Moosbrugger will nichts von sich wissen“. In: Natalie Binczek & Cornelia Epping-Jäger (Hg.): Das Hörbuch. Praktiken audioliteralen Schreibens und Verstehens. München: Fink 2014, S. 157-178, S. 158.

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Harry Mizumoto: Jelinek’s Malina: technology, gender, and fascism in post-WWII Austria 

Dissertation

Abstract

Written by Elfriede Jelinek and directed by Werner Schroeter, the film adaptation of Ingeborg Bachmann’s novel Malina was released in 1991 to high expectations. Despite this, the film was met with swift criticism following its initial screenings. Feminists characterized the film as running counter to the intentions of the novel, with some even equating the adaptation to a “murder” of the original text. Echoing Malina’s preoccupation with Austrian complicity in WWII, critics such as Alice Schwarzer and Kathleen Komar referred to Jelinek as a “collaborationist” who “became complicit” with the male director’s gaze— in order words, as a woman re-enacting exactly the collusion with a fascist and patriarchal symbolic order which Bachmann criticizes in Malina. From Jelinek’s part, Brenda Bethman noted in a personal conversation she exchanged with her in 1999 that the scriptwriter felt ‘unjustly accused of being responsible for the disaster that the film was, even though Schroeter had changed much in her script and had not followed the interpretation of Bachmann’s novel that she had incorporated into her text.’  

In this way, it can be argued that Jelinek’s revival of Bachmann’s work unwittingly resulted in her own erasure, thus re-creating the complex triangulation of victim, bystander, and perpetrator present between the Ich-Erzählerin and her male counterparts. Central to this are the different registers of death, murder, and perceived “loss” at play— the murder of the Ich-Erzählerin at the hands of Malina, as well as the death of Malina the novel through its translation to script and screen. Implementing this loss as a point of entrance, I hope to interpret the writing, criticism and reception of both writers to reflect on how sexual violence travels through the distortion of language through technology in post-WWII Austria. My intention is not to refute criticisms of the film, but to more closely examine the diegetic and extra-diegetic tensions which appear within (the narrative) and outside (the production) of the film.

15.6.2023

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Anna Rottenfußer: Hörendes Schreiben – Singendes Lesen? Sprachmusik in Elfriede Jelineks Winterreise

Unmöglich ist es, beim Lesen von Elfriede Jelineks Winterreise nicht automatisch die Melodien Franz Schuberts aus dem gleichnamigen Liedzyklus im Kopf mitzuhören. Dies kann auf den ersten Blick ausschließlich an den intertextuellen Bezügen zu Wilhelm Müllers Gedichten der Winterreise liegen, die dieses „hörende Lesen“ assoziativ bedingen. Andererseits kann noch eine weitere Komponente aus dem Textmaterial Jelineks, ihre Schreibweise, den Bezug zu Schuberts Kompositionen herstellen. Es scheint daher lohnenswert, sich mit der besonderen Sprachmusik von Jelineks Winterreise zu befassen und zu untersuchen, inwiefern diese Schuberts Vertonungen imitiert. Eine große Herausforderung ist die Festlegung der Arbeitsbegriffe und der Methodik, da es sich bei Musik und Text um voneinander getrennte Disziplinen handelt, mit ihnen jeweils eignen Arbeitsweisen und Vokabular. Eine Bestandsaufnahme der Möglichkeiten einer derartigen musikwissenschaftlichen Analyse von Sprache zeigt auch deren Grenzen, etwa im Bereich der Sprachmelodie auf. Sie weist aber auch auf das große Potenzial einiger Parameter für das Verständnis des Klangs von Jelineks Texten hin, wie etwa der Begriffe aus der Orgelliteratur. Es lässt sich ein Zugang zur allgemeinen Klanglichkeit von Jelineks Text finden sowie ein Eindruck ihrer kompositorischen Schreibweise. Ein derart musikalisch-, kompositorischer Schreibprozess erfüllt eine bestimmte Funktion. Sprachmusik entfaltet subversive Kraft und unterstützt als zusätzlich generierte „Stimme“ Aussagen des Texts Jelineks. Der Eindruck der „Singbarkeit“, der beim Lesen der Winterreise entsteht, ist irreführend. Durch die Konkretisierung des musikalischen Ausdrucks in der Vertonung, ginge die Variabilität der Sprache als Klangmaterial verloren.

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Alexandra Hiebler: Die geschundene Musikerin und die geschundene Frau in Elfriede Jelineks „Die Klavierspielerin“

Elfriede Jelinek zeichnet in ihrem Roman Die Klavierspielerin eine Gegenwart der Gesellschaft und insbesondere der musikalischen Disziplin, in der das Weibliche nicht bestehen kann. Mit ihrer Protagonistin Erika Kohut verfolgt die Autorin nicht das Ziel, ein tragisches Einzelschicksal darzustellen, sondern das Scheitern im patriarchalen System an einer prototypischen Figur zu zeigen. Jelinek baut über den Roman hinweg das Bild einer geschundenen Musikerin und Frau auf, welches durch das Ende des Romans verdichtet wird und noch nach der Lektüre nachwirkt. Von dieser Leseerfahrung ausgehend, wird mit der vorliegenden Arbeit versucht, die Strategie des Texts aufzuspüren, die eben dieses Bild der Protagonistin schafft. Die Musik fungiert in Jelineks Roman nicht nur als Kontext von Unterdrückung und Gewalt, sondern trägt mit ihren Strukturen  zu deren Entstehung und Erhalt bei und bildet damit das Bezugssystem der Analyse. Das Scheitern weiblicher Emanzipation in der Musik, aber auch im patriarchal geprägten System, das den gesamten Roman durchzieht, wird in der Vergewaltigung verdichtet und Erika Kohut wird zum Sinnbild der geschundenen Künstlerin und Frau. Der Roman schließt mit seinem Ende wieder am Anfang an und lässt damit eine Protagonistin ohne Entwicklung zurück, die die Unmöglichkeit der Weiblichkeit im Patriarchat verdeutlicht.

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Anna Rottenfußer: „Namen sind ohnehin Schall und Rauch“: Der tausendjährige Posten oder der Germanist von Irene Dische und Elfriede Jelinek als Geschichtsoper

für den Nachwuchsworkshop 2022

Eine dreiste Lüge, die den Protagonisten vor der rechtlichen Auseinandersetzung mit seiner militärischen Vergangenheit bewahrt, und eine Doppelidentität mit dramatischen Auswirkungen auf das Umfeld: So weit haben Irene Dische und Elfriede Jelinek in ihrer Travestie von Franz Schuberts Singspielen Der vierjährige Posten (Libretto: Theodor Körner) und Die Zwillingsbrüder (Libretto: Georg Ernst von Hofmann) die zwei zentralen Handlungspunkte der Vorlagen übernommen. Dann aber ist die possenhafte Idylle der beiden Operetten in der Bearbeitung durch Dische und Jelinek mit den historischen Tatsachen des Falls Schwerte von 1995 (im Stück: Schall) verwoben. Deutsche Geschichte wird zur abgründigen Dimension. Mein Dissertationsprojekt an der Uni Wien befasst sich mit der Darstellung historischer Ereignisse in der Oper des 20. Jahrhunderts und versucht eine Gattungstheorie der Geschichtsoper zu bilden. Ausgehend von diesen Untersuchungen scheint es vielversprechend, auch den Tausendjährigen Posten unter dem gattungsgeschichtlichen Kontext der Geschichtsopern zu betrachten und an deren Entwicklungen im 20. Jahrhundert (Krenek: Karl V., Braunfels: Jeanne d’Arc, von Einem: Dantons Tod, Henze: Der Prinz von Homburg, Rihm: Die Eroberung von Mexico) anzuschließen. Es soll untersucht werden, wie Geschichtsdarstellung auf den unterschiedlichen Ebenen im Singspiel stattfindet und funktioniert. Konkret bedeutet dies eine Auseinandersetzung mit der Darstellungsweise von der Verdrängung und Aufarbeitung der NS-Vergangenheit und derer, die sich ihrer Verantwortung entzogen haben. Das betrifft auch die narratologische Ebene, „wie“ geschichtliche Ereignisse auf der Bühne dargestellt oder von Figuren erzählt werden. Daraus lässt sich der Zweck, die subversive Kraft dieser Darstellungsform von „Geschichte als Oper“ ableiten. Es wird herausgearbeitet, inwiefern dies mit Tendenzen des Geschichtsdramas und der Geschichtsoper der Zeit korrespondiert oder sich grundlegend davon unterscheidet. Interessant ist der Rückgriff auf die Libretti der beiden Vorlagen, deren Handlungen sich jeweils vor dem geschichtlichen Kontext der napoleonischen Befreiungskriege abspielen. Jelinek greift in ihren Texten häufig aktuelle oder entferntere historische Ereignisse auf (Bsp. Schwarzwasser, Bambiland, Würgeengel). Die Besonderheit hier ist allerdings der Bezug zu Schubert und die Frage, was aus den Singspielen der Biedermeierzeit nicht nur durch die radikale Umwertung mit einer düsteren Thematik, sondern durch die Umwertung mit geschichtlichen Fakten wird.

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Stephan Langer: „this machine this instrument this wave“

Ausgangspunkt der Performance sind drei Elemente: Sprache, Musik/Sound und Körper. Ausgehend von einer minimalen Bühnensituation (zwei bis drei Performer:innen, Standmikrofone, Notenständer, Tisch/Pult für Synthesizer, Drummachine, Effektgeräte, etc.) soll über gesprochene Sprache Bilder in den Köpfen des Publikums entstehen. Die Sprache nimmt sie an die Hand, entwickelt die Bilder in den Köpfen weiter und geht dabei auf die Raumsituation und die Instrumente ein und reflektiert diese. Sprache und Musik verschränken sich, treiben sich an, treten auf der Stelle, stoppen. „this machine this instrument this wave“ macht es sich zum Vorhaben die Hirnströme des Publikums zu leiten und durch eine installative Anordnung der Lautsprecher (hinter dem Publikum, unter dem Podest) eine sinnliche und immersive Situation zu schaffen.
Die rhythmische Konstruktion diverser Soundmaterialien – Drones, Samples, melodische Fragmente, perkussive Sounds – verknüpfen sich in Loops und Variationen mit der Sprache und evozieren einen mentalen Prozess. In den Texten tauchen eine Mixtur aus alltäglichen Beobachtungen und Ängsten, theoretischen Gedanken, nicht abgeschickten Liebesbriefen und ortsspezifischen Auseinandersetzungen mit dem Raum und seinen Geschichten. Alles kehrt immer wieder zu den Begriffen „machine“, „instrument“ und „wave“ und ihren schillernden Schattierungen zurück, surft auf ihren Klängen und Bedeutungen. Es wird geflüstert, gerufen, gesungen, geloopt – alleine und zusammen, mit So- und-Filter und ohne. Die Elektronik des Sounds kann die Stimmen verändern – in der Gegenrichtung können Tonabnehmer an den Körpern der Performer:innen angebracht werden, die die Körper zu Resonanzräumen machen, die Sound produzieren, der so nicht aus dem Instrument gekommen wäre. Im Zwischenraum zwischen Mensch, Maschine und Instrument interessiert uns die Frage: wer funktioniert mit wem? Wo sind wir, wenn wir funktionieren? Sind wir alle „Funktionär[:innen] der eigenen Funktion“ (Vilém Flusser)? Die Performance macht ihre konzeptuelle Anlage sichtbar und dekonstruiert sie gleichzeitig. Inmitten des Ganzen könnte die Möglichkeit entstehen, den Fiebertraum der Verhältnisse zu erkennen.

Literatur:
Flusser, Vilém: Gesten – Versuch einer Phänomenologie. Berlin: S.Fischer Verlag 1994.

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Paula Pankarter: Elfriede Jelinek und die Mode – von der Transmedialität zur Transzendenz

Masterarbeit

Abstract

Diese Arbeit erforscht, welchen Sinn die österreichische Schriftstellerin Elfriede Jelinek dem Phänomen der Kleidermode einschreibt und welche Perspektiven die Mode auf das Schaffen der Autorin eröffnet. Ausgehend von Jelineks paradoxem Modebegriff wird die Mode von der Transmedialität bis hin zur Transzendenz ergründet, um so einen Überblick über die vielschichtigen Bedeutungsdimensionen der Mode in Jelineks Gesamtwerk zu schaffen. Sowohl Essays der Autorin – Mode, in Fetzen und Ich möchte seicht sein – als auch Theatertexte – SCHATTEN (Eurydike sagt), Der Tod und das Mädchen IV (Jackie) und Das Licht im Kasten (Straße? Stadt? Nicht mit mir!) – werden analysiert und dabei nicht nur mit der Jelinek- Forschung, sondern auch mit der Modewissenschaft vernetzt, um so Jelineks Stimme im Modediskurs zu kontextualisieren.

Mode steht im Zentrum von Jelineks Denkkosmos und durchzieht sämtliche Dimensionen ihres Schaffens. Sowohl privat als auch literarisch und sogar politisch ist die Mode von essenzieller Bedeutung für die Autorin. Jelinek bedient sich des Phänomens nicht nur als Inspirationsquelle, sie benutzt die Methoden der Mode – poetisch abstrahiert und radikalisiert – wie eine Folie für ihre Kunst, sodass sie im Verlauf ihres Schaffens zunehmend selbst wie die Mode wirkt. Jelinek erhebt die Mode zum Modell ihrer ästhetischen Vision. Die Produkte ihrer Literatur sollen auf dieselbe Weise inszeniert werden wie die der Mode: Die Modeschau erklärt sie zum Muster für ihr »Theater der sprechenden Kleider«. In der Mode erkennt die Autorin einen paradigmatischen Modus der Indifferenz, der Oberflächlichkeit und der Künstlichkeit, den sie sich zum Vorbild nimmt, um das abendländische hermeneutische Denken zu kippen und dadurch hierarchische Sinnstrukturen in heterarische einzuebnen: Inspiriert von der multireferenziellen Intertextualität der Mode konzipiert sie ihre Texte als Textilien – als Sprachgewebe, in denen sich herkömmliche Differenzen auflösen und so eine Dynamisierung und Fragmentierung von Sinn entsteht. Inspiriert von der Mode als Oberflächenphänomen entwirft Jelinek eine »Poetologie der Oberfläche«, die nichts verbirgt, sondern alles zum Vorschein bringt. Inspiriert von dem modischen Prinzip der Denaturalisierung dekonstruiert Jelinek die Mythen unseres Alltags, indem sie diese in Moden umstülpt.

Als Sprache, die man in Kleidern schreibt, setzt Jelinek Mode als Feminismus in Szene – wenn auch als einen abgründigen und höchst ambivalenten: Die Mode präsentiert sie als retardierendes Moment im »Drama des Weiblichkeitsmythos«. Im Verlauf ihres Schaffens schreibt Jelinek ihrem Werk eine »Metaphysik der Mode« ein, die sich zunehmend ins Mystische auflöst. Das Phänomen erschließt die Autorin über dessen widersinnige Erscheinungsstruktur. Sie stellt die Frage nach der Mode als ein existenzielles Erkenntnisproblem dar und verknüpft sie so mit den Grundfragen der Philosophie – insbesondere mit der Frage nach dem Menschsein. Über die der Mode eingeschriebene Sehnsucht nach Transformation erweist sich die Mode als ein transzendentes Phänomen, das nicht nur zwischen Medien, sondern grundsätzlich im Dazwischen wirkt. Davon angeregt entwickelt Jelinek immer wieder neue Strategien, um Grenzen zu überschreiten und sich so eine Position im Dazwischen zu erschaffen, aus der heraus sie wie eine überirdische Instanz zu ihrem Publikum sprechen kann. Die Mode ist dabei ihre persönliche Überlebensstrategie. Die Konzeption ihrer Identität als Autorin hat Jelinek so dicht in die Mode verwoben, dass sie mit ihr zu einer partnerschaftlichen Einheit verschmolzen ist. Nach dem Vorbild der Mode modifiziert Jelinek ihre sinnliche Präsenz zunehmend in Sinn und macht sich so selbst zum Model ihrer Kunst.

09.06.2021

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Anna Kurzaj: Übersetzung von zusammengesetzten Adjektiven aus dem Deutschen ins Polnische anhand der Romane von Elfriede Jelinek

Dissertation

Abstract

Elfriede Jelinek ist eine Autorin, für die die Wortbildung nicht nur eine formale, sondern auch ästhetische oder sogar handlungsbezogene Funktion erfüllt. Zudem ist die Wortbildung in literarischen Texten ein wichtiger Bestandteil des Idiolekts eines Autors. Durch die Form kann die Bedeutung eines bestimmten Worts sich veranschaulicht werden. Aus diesen Gründen muss auch die Form von Wörtern in der Übersetzung ihrer Romane unbedingt entsprechend wiedergegeben werden. Eine der besonderen Wortbildungsformen, die im Deutschen äußerst häufig vorkommt, sind zusammengesetzte Adjektive. Sie stellen eine Übersetzungsschwierigkeit dar, weil die Bildung von ähnlichen Konstruktionen im Polnischen weniger produktiv ist. Deshalb bedarf ihre Übersetzung einer ausführlichen Analyse, zumal sie in Romanen Jelineks mehrere Funktionen erfüllen.
Die Ziele der Dissertation sind: (i) Beziehung zwischen Wortbildung von deutschen zusammengesetzten Adjektiven und ihren polnischen Entsprechungen auf der formalen und bedeutungsbezogene Ebene zu bestimmen, (ii) Regelmäßigkeiten zwischen der Bildung von zusammengesetzten Adjektiven und der eingesetzten Übersetzungstechnik in Anbetracht der Bedeutung und Form eines bestimmten Adjektivs im Text zu bestimmen, (iii) Übersetzungstendenzen von zusammengesetzten Adjektiven aus dem Deutschen ins Polnische zu analysieren und zu begründen, (iv) eingesetzte Kompensationsmaßnahmen zu beschreiben, (v) die Faktoren, die beim Übersetzen entscheidend sind, zu nennen. In der Beschreibung dieser adjektivischen Komposita sowie ihrer Entsprechungen in den polnischen Übersetzungen wird der Ansatz der Konstruktionsmorphologie eingesetzt, d.h. sie werden hinsichtlich der Form (darunter werden nicht nur morphologische, sondern auch syntaktische Eigenschaften beschrieben) und Bedeutung (im Sinne von Semantik, Pragmatik und Ästhetik) charakterisiert. Die Original und Übersetzungsversionen werden miteinander verglichen und hinsichtlich ihrer Merkmale nach dem Ansatz der deskriptiven Translationswissenschaft analysiert.
Es wird angenommen, dass viele von Jelinek angewendete Wortbildungsmuster direkt übersetzt werden können. Jedoch sind bei der Übersetzung ins Polnische auch andere Bestandteile des Idiolekts von Jelinek (wie Wortspiele, Ironie) von Bedeutung. Nichtsdestoweniger können die mit den adjektivischen Komposita erreichten Merkmale ebenfalls durch andere besondere Wortbildungsformen im Polnischen wiedergegeben werden, sodass der Idiolekt der Autorin auch von polnischen Lesern wahrgenommen werden kann.

3.2.2021

Anna Kurzaj: Übersetzung von deutschen zusammengesetzten Adjektiven ins Polnische anhand der Romane von Elfriede Jelinek. Berlin u.a.: Peter Lang 2025 (= Poznań Studies in Applied Linguistics / Posener Beiträge zur Angewandten Linguistik 14). (ISBN: 978-3-6319-2826-4)

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