Janik Hauser: Zschäpe. Eine überschreibende Rezeption rechtsnationalistischer Terrorakte durch Elfriede Jelinek (AT)

Forschungsprojekt
(für Nachwuchsworkshop 2018)

Wer ist dieses schweigende Mädchen, von dem Es / Elfriede Jelinek in dem Theatertext Das schweigende Mädchen spricht? Man könnte meinen: die Terroristin B. Zschäpe. Dann könnte man sich weiter fragen: Die Zschäpe aus den durch den Verteidiger verlesenen Selbstdarstellungen, die von Fotos, die aus der Meinungsspalte der großen Zeitungen, die, die im Endeffekt auf den Brettern stehen soll, die die Welt bedeuten oder ein polyphoner Abgesang auf die Kommensurabilität all jener?
Die Inszenierung Johan Simons ’an den Münchner Kammerspielen fokussiert sich auf einige ikonische Momente der ikonoklastischen (Paulchen Panther steht hier gleichberechtigt neben den durch das SZ-Magazin angefertigten Protokollen (d.i. die ironische Zementierung eines Kanons?)) Sprechflut aus dem Schweigenden Mädchen. Es scheint die Autorin die Referentialität der Bekennertexte und -Videos zu interessieren, welche wiederum durch die Theatermacher als Anker in einem wilden Gewässer aus Deutungsprovokation und Deutungsverweigerung dankbar abgegriffen werden. Diese Beobachtung interessiert mich sehr. Vergleichend soll der zweite Teil des Aufsatzes die Lücke zwischen Versprachlichung von Schweigen und deren Verkörperung ausleuchten. Ich studiere Dramaturgie im Master an der Goethe-Uni und erwarte mir von der Colloquiums-Gruppe des Instituts bei der Entstehung des Beitrages geringfügige Unterstützung) bei der Behandlung der Fragen:
Wie viel Auflösung verträgt ein zeitgenössischer Text zu einem Ereignis mit höchster politischer Brisanz? Und v.a. wie wird diese Auflösung linguistisch/stilistisch von der Autorin hergestellt? Wie knüpfen die Inszenierungen daran an und welche Transmedialen Abstriche werden dabei erforderlich, welche Störungen / Zwischenräume entstehen?
Noch eine Beobachtung: Vor Gericht, die Strafprozessordnung macht das deutlich, herrscht das Mündlichkeitsprinzip. Das heißt, dass alles, was in dem Prozess des Verhandelns von (was ist) Realität Beachtung finden soll, auch mündlich zutage getreten sein muss. D.i. m.E ähnlich wie der Gedanke der Flachheit (d.i flattnes. s.a. Juliane Vogel) aus den Jelinektexten: Alles was im Verborgenen schlummert, muss an die Oberfläche. Der Schmutz, die Lüge, der Freudsche Versprecher, die Verdrängten, wie die gänzlich unbearbeiteten Traumata. (Kennt Jelinek die Grundzüge der Strafprozessordnung? Was (d.i. das Dispositiv?) interessiert sie daran?). Ich möchte durch ein eingehendes Studium des Textes implizite Reflexionen auf Sprechakt, Diskurstheorie, Machtkritik, Sprachkritik zutage befördern. Theoretische Schützenhilfe suche ich hierfür bei Heidegger, Austin, Benjamin, Martin J. Stone und Anderen. Ich hoffe, die Jungs sind zugänglich. Sonst stehe ich wieder ganz alleine da.
Im letzten Teil werde ich mit Habermas und Mrtin J. Stone die (etwas defätistische) Gegenfrage stellen: Was bringt die Literatur dem Recht ein? Kann/ darf es eine Interferenz geben? Ist das Stück ein Gegen-Prozess, in dem die gleichen oder andere Regeln herrschen? Soll der NSU-Prozess in actu kritisiert werden?

2.7.2018
Informationen zu Janik Hauser