Christiane Rügheimer: „Das Theater darf viel. Das darf es nicht.“ Eine Analyse der Rezeption von Behindertentheater im deutschsprachigen Raum.

Hausarbeit

„Das Theater darf viel. Das darf es nicht.“ So resümiert Gerhard Stadelmaier 1985 seine Rezension der Aufführung von George Taboris Stück M nach Euripides zum einhundertsten Jubiläum der Münchener Kammerspiele. Die Rolle des behinderten Kindes wird in diesem Stück von dem im Rollstuhl sitzenden, körperlich behinderten Peter Radtke gespielt. Eine Besetzung, die gemeinsam mit dem Inhalt des Stückes an sich, einen Skandal auslöste. Stadelmaier meint dazu: „[…] Ursula Höpfner und Arnulf Schumacher sind rezensierbar, Peter Radtke, welcher den Sohn spielt, ist es nicht. […] [A]ls könnten nur Behinderte Behinderte spielen. […]“. Mit seiner Kritik rekurriert Stadelmaier auf den Diskurs in der Tradition Johann Christoph Gottscheds. Dieser forderte in seiner Theaterreform (im Jahr 1737) streng mimetisches und illusionistisches Theater als oberste Priorität, sowie strenge Zivilisierung und Körperdisziplinierung auf der Bühne. Für clowneske Possenreißer-Figuren wie den aus der italienischen Commedia dell‘arte stammenden Harlekin ist nach Gottscheds Auffassung auf der Theaterbühne kein Platz. Zwar übt Gottsched massive Kritik am Spott über Behinderte, verknüpft diese aber gleichzeitig mit deren Exklusion (von der Theaterbühne). Urte Helduser postuliert unter Berufung auf Claudia Gottwald, dass sehr lange Zeit der Impuls vorherrschte, „das Theater von allem Regellosen, Grotesken, Unzivilisierten und Undisziplinierten zu reinigen“. Woher stammt dieser Impuls, was genau impliziert er und warum? Und schließlich: Existiert er in der heutigen (postmodernen) Zeit weiterhin unverändert? Diesen Fragen soll in der vorliegenden Arbeit nachgegangen werden. Nach einer kurzen Skizze der wissenschaftlichen Disziplin der Disability Studies wird die Entwicklung des Theaters mit behinderten Menschen umrissen, um schließlich den Schwerpunkt auf die Frage nach deren „Rezeption“ im Allgemeinen und auf der Theaterbühne im Besonderen zu legen.

Hierfür sollen drei Theaterprojekte exemplarisch untersucht werden: Elfriede Jelineks Burgtheater, George Taboris M nach Euripides, sowie das Schweizer  Behindertentheaterprojekt Theater HORA. Dabei sollen insbesondere Fragen nach Wahrnehmung, Ästhetik und Normvorstellungen des ‚Körpers‘ an sich im Sinne der Disability Studies diskutiert werden. Zum Schluss sollen in einer abschließenden Zusammenfassung erneut die wichtigsten Erkenntnisse resümiert werden.

PDF-Download der Arbeit

22.10.2019