Lilian Friedberg: Übersetzungen von Elfriede Jelinek ins Amerikanische

Als amerikanische Übersetzerin von Elfriede Jelinek findet man sich nicht nur in einem ungünstigen Klima wieder, in dem alles, was nur halbwegs nach fremden Freiheiten klingt, gleich von vornherein als verdächtig geächtet wird – und das mit Auswirkung auf das Verlagswesen: Im Jahr 2004 erschienen aus insgesamt 185.000 Buchveröffentlichungen in den USA nur 874 Übersetzungen fremdsprachiger Publikationen. Dazu kommt, dass die Rezeption von Jelinek, besonders seit der Vergabe des Nobelpreises, bekanntlich alles anders als warm gewesen ist. Selbst in linken Kreisen ist sie, wenn man sie überhaupt zur Kenntnis nimmt, als „anachronistisch“, „widerwärtig“ und „erschreckend“ verschrieen[1]. So kommt man sich als Übersetzerin dieser Autorin leicht wie ein weiblicher David vor – und das abgesehen von den vielfältigen Schwierigkeiten, vor die Jelineks Texte ihre Übersetzer aus rein übersetzungstechnischen Gründen stellen: das kaum wiederzugebende Wortspiel, die Verfremdung von Redewendungen, Aneinanderreihungen von politischen, lyrischen, literarischen, philosophischen und kulturellen Anspielungen, der Gebrauch des österreichischem Dialekts: all dies lässt sich nur durch Recherchen (im Internet und Bibliotheken) und durch Gespräche mit und Nachfragen bei MuttersprachlerInnen aus dem deutschprachigen Raum bewältigen. Die kultur- und verlagspolitischen Hindernisse andererseits sind kaum zu überwinden, weil sie im Zusammenhang mit dem zunehmend repressiven politischen und kulturellen Klima in den USA stehen. You’re either with us or against us! Sind Sie gegen uns, so werden Sie auch nicht veröffentlicht. In meinen Übersetzungen versuche ich den vom Nobelpreis-Komitee hervorgehobenen „musikalischen Fluss von Stimmen und Gegenstimmen in [Jelineks] Romanen und Dramen, die mit einzigartiger sprachlicher Leidenschaft die Absurdität und zwingende Macht der sozialen Klischees enthüllen“ zum Vorschein kommen zu lassen, selbst wenn die Kritiker die Aufmerksamkeit des Publikums auf die Polemik, auf den „schrillen“, „blasphemischen“, „vulgären“, und vor allem „anti-amerikanischen“ Ton lenken wollen, ohne sich um die literarischen und stilistischen Aspekte des Werkes zu kümmern. Doch gehören „musikalischer Fluss“, „sprachliche Leidenschaft“, „Stimmen“ und „Gegenstimmen“ zu den einzigen glatten Steinen, mit denen man sich auch als Übersetzerin von Jelinek gegen die Absurdität und zwingende Macht der pulizistischen Politik wappnen kann.
Ist der Widerhall aus dem anti-anti-amerikanischen Blätterwald der Kritik ein Indiz, so haben die ersten Steinwürfe ihr Ziel getroffen. Im Herbst 2005 (8.10.-3.11.) sind Auszüge aus dem „Prinzessinnendrama“ Rosamunde im Rahmen der Installation „The Power of Language – Die Macht der Sprache“ in zweisprachiger Ausfertigung im Austrian Cultural Forum in New York (in Zusammenarbeit mit der Internationalen Sommerakademie Salzburg, kuratiert von Barbara Wally) ausgestellt worden und auf positive Resonanz gestoßen. Ähnlich verhält es sich mit Auszügen aus Bambiland, die vom Scena Theatre in Washington, DC, in Zusammenarbeit mit dem Austrian Cultural Forum und der österreichischen Botschaft im November 2005 aufgeführt und in der DC Theatre Review lobend besprochen wurden. Bisher hat sich weder Verlag noch Theater aufgetan, um dieser bereits begonnenen Übersetzungsarbeit ein breiteres Publikum zu verschaffen, das Interesse scheint allerdings zu wachsen, vorangetrieben von den obengenannten „sneak previews“ in New York und Washington, DC. Die Texte aus den Veranstaltungen, zusammen mit einem Auszug aus dem Prinzessinnendrama Die Wand, sind als „Kostproben“ auf der Homepage von Elfriede Jelinek gepostet, und wir hoffen sehr, dass es bald auch zu vollständigen Übersetzungen in Buchform und zu Theateraufführungen kommen wird.

Lilian Friedberg, Chicago, 14.2.2006

Fußnoten

Infos und Links

  • Besprechung der Vorführung „Scena Theatre’s Staged Reading of ‚Bambiland‘ by Elfriede Jelinek“ von Juliet Moser. In: DC Theatre Review, 29.11.2005.