Elisabeth Beanca Halvorsen: Übersetzungen von Elfriede Jelinek ins Norwegische

halvorsen_bild1Die norwegische Presse hat am 7. Oktober 2004 jemanden gesucht, die die „völlig unbekannte Österreicherin Elfriede Jelinek“ kannte. Sie sind dann auf meine wissenschaftliche Arbeit Das Phänomen Elfriede Jelinek (Universität Oslo 2004) gestoßen und ich habe Interviews gegeben und Zeitungsartikel geschrieben, was wiederum eine Literaturdebatte ausgelöst hat. In der Zeit nach der Nobelpreisverleihung habe ich Vorlesungen und Seminare gehalten zu den unterschiedlichsten Themen in Jelineks Werk und Tun. Ich hatte schnell den Wunsch, ihre Literatur ins Norwegische zu übersetzen und über ihr Werk zu schreiben, um Jelinek fürs norwegische Publikum zugänglich zu machen. Ich bin seit Oktober 2004 als freie Schriftstellerin und Übersetzerin tätig, für Literaturzeitschriften, Zeitungen, Theater und Verlage. Die Sprache der Elfriede Jelinek lässt sich nicht leicht ins Norwegische übersetzen, obwohl Norwegisch eine germanische Sprache ist. Es ist eine herausfordernde und kreative Arbeit, die Sprachflächen und -spiele zu enträtseln, dort entweder Sinn oder Unsinn zu finden. Danach bemühe ich  mich darum, entsprechende Ausdrücke der eigenen Sprache zu suchen, die auch im Klang und Ton harmonisieren, damit auch in der Übersetzung ein Rhythmus entsteht. Österreichische Mundart, Begriffe aus dem Fernsehen, Zeitungen (wie kulturelle und politische Phänomene) sind manchmal sehr schwierig in eine Fremdsprache zu übertragen. Ich habe BeraterInnen in Österreich (in Wien und Niederösterreich, im Alter von 25 bis 70), mit denen ich Begriffe diskutiere, auch in Bezug auf derb/nicht derb/umgangssprachlich/ veraltet/Mundart/Wienerisch/Steiermärkisch/“Jelineksch“ etc.

halvorsen_bild2In Phänomen Elfriede Jelinek versuche ich die meistgespielte Dramatikerin des deutschsprachigen Gegenwartstheaters, deren Literatur sowie Person als schwer zugänglich gelten, fassbar zu machen und konkret darzustellen. Nach einer allgemeinen Einführung in das „postdramatische“, „anti-aristotelische“ und „post-brechtsche“ Theater beschreibe ich charakteristische Züge in Jelineks Theatertexten seit 1990. In vielerlei Hinsicht frage ich nach Inhalt und Konzept des Jelinek-Theaters, indem ich mich unter anderem mit ihren in der Wirklichkeit verankerten und auf Österreich bezogenen Themen und Figuren beschäftige, ihre in hohem Maße von Ironie und Sprachspiel gekennzeichnete Sprache beschreibe, nach einem werktypischen Theaterzeichen suche und dieses erläutere sowie das Verhältnis zwischen Text und Inszenierung untersuche. Weitere zentrale Themen meiner Analyse sind: Inwieweit ist die „Radikalfeministin“ Elfriede Jelinek aufgrund ihrer Theaterstücke dem Feminismus zuzuordnen? Wie stellt sich die Autorin in den Stücken selbst dar und welche Rolle(n) nimmt sie dabei ein? Was ist ein Phänomen und inwieweit kann Elfriede Jelinek als ein solches bezeichnet werden? Ist Jelinek ausschließlich ein auf die unmittelbare Gegenwart bezogenes Phänomen oder hat sie auch Klassikerpotential?

Publikationen und Aufführungen von Jelinek-Texten in Norwegen

  • Ordet, forkledd som kjøtt (Das Wort, als Fleisch verkleidet). In: Le Monde de diplomatique (nordische Ausgabe) 2/2005.
  • Jeg vil være overfladisk (Ich möchte seicht sein) + ein Text über Jelineks Theater (Om Jelineks teatersyn von E. B. Halvorsen). In: Norsk Dramatisk Årbok 2005 (Norwegisches Jahrbuch der Dramatik 2005).
  • Pianolærerinnen (Die Klavierspielerin, ins Norwegische von Mons Vedøy und E. B. Halvorsen), Gyldendal Norsk Forlag 2005.
  • Pianolærerinnen erscheint als Taschenbuch im November 2006 (Gyldendal Pocket).
  • Elskerinnene (Die Liebhaberinnen) mit einem Nachwort der Übersetzerin (E. B. Halvorsen): Kjærligheten gjør bestandig vondt (Die Liebe tut immer weh – über Feminismus, Pornografie, Liebe, Hass und Heimat), erscheint im Sommer/Herbst 2006, Gyldendal Norsk Forlag.
  • Der Transit Forlag plant gerade eine Publikation (für den Herbst 2006) mit Jelineks Nora-Stück (Hva skjedde etter at Nora forlot sin mann eller Samfunnenes støtter) und Babel (Babel ist von Julia Eller und Øivind Hånes übersetzt).
  • „Jelinek – et scenisk portrett av nobelprisvinner Elfriede Jelinek“ (Jelinek – ein szenisches Porträt der Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek), Nationaltheatret 27.8.2005. Auszüge aus Was geschah nachdem Nora ihren Mann verlassen hatte oder Stützen der Gesellschaften, In den Alpen, Ein Sportstück, Der Tod und das Mädchen IV (Jackie), Babel, Lust, Die Klavierspielerin und Interviews wurden auf Bühne und Leinwand gebracht.
  • „Pianolærerinnen – en litterær-musikalsk fremføring“, eine musikalisch-literarische Aufführung in der Österreichischen Botschaft in Oslo mit den Übersetzern der Klavierspielerin, 1.12.2005 (Schubert und Schumann wurde gespielt, während der Jelinek-Text abwechselnd in Originalversion und auf Norwegisch vorgetragen wurde).
  • Hva skjedde etter at Nora forlot sin mann eller Samfunnenes støtter: geplante Aufführung am Nationaltheater anlässlich des Ibsenfestivals im September 2006.

Oslo, 20.3.2006

Elisabeth Beanca Halvorsen lebt in Oslo, fachliterarisches Autorenstudium samt Studien der Nordistik, Journalistik und Germanistik (Studienaufenthalt in Krems 2000 und ein wissenschaftliches Jahr in Wien 2003/2004 anlässlich der Arbeit an Das Phänomen Elfriede Jelinek).