Meine erste übersetzerische Beschäftigung mit Elfriede Jelinek datiert aus dem Jahr 1994. Damals habe ich für die slowenische Literaturzeitschrift „Literatura“, Heft 42, einen Auszug aus dem Roman Die Liebhaberinnen übersetzt. Ich habe damals, nachdem ich an der Universität Ljubljana die Slowenische Sprache und Literatur und Vergleichende Literaturgeschichte studiert hatte und dann als Lektor für die Slowenische Sprache in Regensburg und München tätig war, vor allem Essays und Rezensionen über die deutsche Literatur geschrieben und nur sporadisch einige Autoren für Zeitungen und Literaturzeitschriften übersetzt. Der Auszug aus dem Roman kam sehr gut an und der Verlag Cankarjeva založba aus Ljubljana hat mir angeboten, das ganze Buch zu übersetzen, und zwar für die neu gegründete Edition XX. Jahrhundert (in der auch Th. Bernhard, J. Marías, C. Nooteboom, T. Morrison, M. Ondaatje, L. Gustafsson, B. Hrabal und noch viele andere berühmte Autoren erschienen sind). Das war ein Prestigeprojekt des Verlages, die Fortsetzung der Reihe „100 Romane“ – eine wunderbar gestaltete, hervorragende Auswahl aus der Weltliteratur aus den 60er/70er Jahren. Ich habe sofort zugesagt, die Bücher waren wunderbar gestaltet, mit einer Begleitstudie versehen. Die Liebhaberinnen erschienen dann auf Slowenisch 1996, was auch die erste Jelinek-Übersetzung in Buchform in Slowenien gewesen war. Und wo lagen meine Probleme bei der Übersetzung: bereits der Titel bereitete mir Probleme, weil er doppeldeutig ist. Im Slowenischen haben wir für „Liebhaberei“, Beschäftigung mit einer bestimmten Sache, und „Liebhaber(in)“ zwei Wörter. Ich musste mich also für etwas entscheiden und wählte die zweite Variante. Im Großen und Ganzen habe ich aber den Rhythmus des Textes gut getroffen.
Weit schwieriger – nach meinem Empfinden – war die Übersetzung meines zweiten Jelinek-Buches, des Romans Lust letztes Jahr für den Verlag Didakta aus Radovljica, einen relativ kleinen Verlag, der ca. 15 Jahre auf dem Markt ist und der die Nobelpreisträger-Reihe in seinem Programm hat. Im Roman Lust wimmelt es von Doppeldeutigkeiten, Neologismen, Alliterationen, Metathesen, Metaphern, Permutationen und Pseudozitaten aus der Literatur usw. Elfriede Jelinek „spielt“ mit der Sprache und mir war sofort klar, dass ich mich auf dieses Spiel einlassen muss: also ich muss diese Spielchen auch auf Slowenisch versuchen. Natürlich geht immer wieder was verloren, vor allem dann, wenn sie Zitate von Rilke, Hölderlin, Heidegger oder anderen Literaten und Philosophen verwenden. Das Lesen ist schon eine Herausforderung, weil man immer herausfinden muss, auf was sich jetzt was bezieht, das Übersetzen umso mehr. Deshalb habe ich oft an eine der Definitionen von Poesie gedacht: Was beim Übersetzten verloren geht, ist Poesie. Und das, was bei meiner Übersetzung verloren gegangen ist, ist wahrscheinlich das Wesentliche ihrer Sprache und Literatur.
Regensburg, 11.6.2006
Slavo Šerc ist Lehrbeauftragter für Slowenisch an der Universität Regensburg und Übersetzer zahlreicher Werke aus dem Deutschen, u.a. von Klaus Mann, Bodo Kirchhoff, Josef Haslinger, Robert Menasse, Martin Walser, Elfriede Jelinek und Peter Sloterdijk.
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