Piari Nazmun Nesa: „Die Klavierspielerin“ in bengalischer Sprache

Im Herbst 2004 habe ich auf der Frankfurter Buchmesse ein großes Photo von Elfriede Jelinek gesehen mit der Bekanntgabe, daß sie den Literaturnobelpreis erhalten hat. Mir fiel auf, daß sie bei ihrer Schminke und ihrem Stil der Frisur sehr bewußt versucht, eine Harmonie in ihrer Ausstrahlung zu erreichen. Im Kontrast dazu scheut sie die Öffentlichkeit oder das Zusammensein in größeren Gruppen. Ich wurde neugierig auf sie und begann über sie und ihr Werk zu recherchieren. Mir wurde bewußt, daß diese Schriftstellerin an ihrem Haus in Wien kein Namensschild hat. Es ist bemerkenswert, daß sie, die in Einsamkeit lebt, es geschafft hat, mit ihrem Werk eine Weltöffentlichkeit zu erreichen. Ich kannte ihre Werke vorher nicht, bis der Verleger aus Dhaka, Bangladesh – Herr Mesbah Ahmed – mich bat, ihr bekanntestes Werk „Die Klavierspielerin“ ins Bengalische zu übersetzen. Elfriede Jelinek hat selbst gesagt, daß es sehr schwierig ist, ihre Werke zu übersetzen, weil sie mit der Melodie der Sprache spielt. Bis dahin gab es keinerlei Übersetzung eines ihrer Werke in die bengalische Sprache. Das Bangla (bengalische Sprache) ist die fünft-„größte“ Sprache der Welt. Mir gefällt es aber, etwas Schwieriges zu tun, ein „Nein“ zu einem „Ja“, ein „Unmöglich“ zu einem „Möglich“ zu machen. Deswegen beschloß ich, dieses Angebot, „Die Klavierspielerin“ ins Bengali zu übersetzen, anzunehmen.
Als ich anfing, das Buch zu lesen, begann ich gleich, die Metaphorik zu schätzen. Bei Beginn des Lesens stieß ich auf folgendes Beispiel: „Einem Schwarm herbstlicher Blätter gleich, schießt sie durch die Wohnungstür und bemüht sich, in ihr Zimmer zu gelangen, ohne gesehen zu werden.“ So wie Elfriede Jelinek die Wörter organisiert, beschreibt sie Tochter und Mutter, ihr Leben, die Gesellschaft und ihre Regeln, Unterdrückung und Unterdrückte. Das spürte ich sofort, und das machte mir beim Übersetzen großes Vergnügen. Meine Arbeit ging gut voran. Früh in meinem Leben während meines Studiums war ich einmal süchtig geworden zu malen – ich hatte gerne mit Ölfarben gemalt. So wie ich damals mit Ölfarben malte, übersetzte ich Elfriede Jelinek. Hier und da setzte ich ein „highlight“, um ihre Metaphorik und Struktur des Schreibens wiederzugeben.
Ich wurde in Bangladesh geboren, lebe und arbeite aber schon lange in Deutschland. Durch meine Tätigkeit bei der Deutschen Welle Radio & TV in der Marketing- und Öffentlichkeitsarbeit kam ich auch in den „DW Chor“ der Deutschen Welle. Durch die Beschäftigung mit westlichen Noten und Musik konnte ich die musikalische Welt des Hauptcharakters „Erika“ gut verstehen. Die Beschreibung des geheimen Sexlebens von Erika, von „Peepshow“, „Pornofilm“ und Sexualarbeitern – all das kann die Schriftstellerin nur leisten, weil sie mutig ist und eine tiefe Kenntnis des Lebens hat. Bevor meine Übersetzung veröffentlicht wurde, sagten mir einige Schriftsteller und Intellektuelle voraus, daß das Buch in Bangladesh verboten werde. Glücklicherweise ist es nicht dazu gekommen. Wahrscheinlich ist das Tochter-Mutter-Problem überall auf der Welt zu finden. Und niemand wollte diesen sensiblen Punkt berühren. Oder niemand wollte gegen die Schriftstellerin protestieren, die den Nobelpreis erhalten hat. Oder die bengalischen Leser sind reif genug. Was immer es ist, es ist meine große Freude, daß die bengalischen Leser meine Arbeit akzeptiert haben. Auf der Buchmesse von der Bangla Academy 2006 in Dhaka, Bangladesh war dieses Buch einer der „Bestseller“. Und auf diese Weise hat Elfriede Jelinek das erstemal die bengalischen Leser erreicht.

25.1.2007

Nazmun Nesa Piari, Berlin.