Delphine Klein: Dissertationsprojekt „La récriture des classiques. Goethe et Schiller dans la production dramatique récente d’Elfriede Jelinek“

Dissertation

Abstract

Der ikonoklastische und äußerst intertextuelle Schreibstil Elfriede Jelineks stellt eine wahre Fundgrube für die wissenschaftliche Forschung dar, welche sich bevorzugt mit dem sorgfältigen und gründlichen Studium von intertextuellen Verweisen beschäftigt. Jedoch steigert sich die „Dialogizität“ ihrer Texte in der neueren dramatischen Produktion, in Stücken, die als „Neubearbeitungen/Neuschreibungen“ von deutschsprachigen Klassikern erscheinen. Man denke insbesondere an Ulrike Maria Stuart, eine umfangreiche Arbeit zur Aktualisierung der schillerschen Tragödie Maria Stuart (1800), an Winterreise (2011), einen Theatertext, der den gleichnamigen Zyklus von Schubert neu interpretiert (1827), und an die als „sekundär“ bezeichneten Dramen, Abraumhalde (2008) und FaustIn and out (2010), die jeweils als Gegenpart zu Lessings Nathan der Weise und Goethes Urfaust konzipiert wurden. Was aber kann von Goethes und Schillers klassischen Dramen in den Texten einer Theaterautorin, welche für ihren subversiven und anti-kanonischen Stil bekannt ist, erhalten bleiben? Worin könnten die Herausforderungen der Neuschreibung und der Aktualisierung kultureller Urtexte liegen?
Unsere Analyse der Auseinandersetzung Jelineks mit dem Kulturerbe legt den Fokus auf die Konfrontation der Autorin mit den beiden großen literarischen Größen der deutschsprachigen Literatur, Goethe und Schiller, diesen „Marmorblöcken“, welche die österreichische Künstlerin „mit schwachen Fingernägeln zu kratzen“ versteht – Zeichen literarischer Eitelkeit? Das Besondere unserer Arbeit liegt jedoch in der Nähe zu Jelineks aktuellem Schaffen, weshalb es auch kaum Sekundärliteratur zu unserem Korpus zu verzeichnen gibt. Allerdings sind die Neuschreibungen von Goethes Faust und Schillers Maria Stuart nicht oder nur seit Kurzem veröffentlicht: FaustIn and out ist erst seit dem 8. Mai 2012 online verfügbar. Unsere Arbeit setzt zunächst eine kritische Auseinandersetzung mit dem Konzept der Neuschreibung voraus, für das die aktuellen intertextuellen Untersuchungen sowie die kulturwissenschaftliche Gedächtnisforschung die Folie abgeben. Es wird auch darum gehen, die Spezifität dieser Schreibform in der dichterischen Produktion Elfriede Jelineks zu erfassen. Ein weiteres Ziel besteht darin, aufbauend auf dem theoretischen Teil, Erkenntnisse zur Einverleibung des klassischen Textes durch Elfriede Jelinek zu gewinnen. Des Weiteren wird darüber reflektiert, inwiefern das heutige Theater trotz aller Subversion als Empfangs- und Vermittlungsträger kulturellen, literarischen und philosophischen Gutes agieren kann und an das kollektive Gedächtnis kanonischer Texte appelliert, das es zugleich hinterfragt. Die Arbeit soll nicht nur das Verhältnis Elfriede Jelineks zum literarischen Erbe der Klassik untersuchen, sondern auch jenes zu ihrer eigenen Kanonisierung.

Stichwörter: klassisches Theater, zeitgenössisches Theater, österreichische Literatur, Rezeption, Neuschreibung, Kanonisierung.

Titel der Arbeit: „La récriture des classiques. Goethe et Schiller dans la production dramatique récente d’Elfriede Jelinek (2004-2011)“ (Die Neuschreibung von Klassikern. Goethe und Schiller im dramatischen Werk von Elfriede Jelinek, 2004-2011). Doktorvater: Prof. Dr. Ralf Zschachlitz, Universität Lyon 2. Forschungslabor: LCE (Langues et Cultures Européennes, EA 1853, Universität Lumière Lyon 2) Doktorandenschule: ED 3LA, Lyon

Stand: 28.10.2012