Forschungsprojekt
(für den Nachwuchsworkshop 2016)
Es ist literaturwissenschaftlicher Konsens, dass die Sprechinstanzen aus den Theatertexten Elfriede Jelineks die klassisch-aristotelische Dramaturgie unterlaufen, sich einem psychologisierenden Zugang verwehren und in Richtung polyphoner Gebilde rücken, welche viel eher einen Diskurs als Urheber haben, als eine charakterisierbare Dramatis Persona. Auch wird immer wieder hervorgehoben, dass sich Jelineks Hang zum Sprachspiel aus einer reichhaltigen österreichischen Tradition (Karl Kraus, Johann Nestroy) speisen würde, hauptsächlich jedoch um Oberflächenphänomenen wie Kalauer und Sprachspiel eine griffige Quelle zuordnen zu können, die es erlaubt, den scheinbaren Widerspruch zwischen Jelineks thematischer Komplexität und ihrer bisweilen Effekthascherisch wirkenden Sprachpraxis vereinfachend zu überbrücken.
Der Aufsatz möchte einer anderen Quelle der österreichischen Tradition nachgehen, um die Beschaffenheit des „Jelinek-Sounds“ einzukreisen. Indem er sich auf die Suche nach Rudimenten des Schnitzlerschen Inneren Monologs in den Theatertexten macht, will er einer Aussage Jelinkes Rechnung tragen, dass sie beim Verfassen ihrer Texte „gewissermaßen als Triebtäterin“ arbeite. Assoziative Themenübergänge, Motivketten und gedankliche Irrwege werden demnach durch die Verlagerung der Psychologie von der Figurenebene in die Art und Weise der Narration plausibel, welche Jelinek im oben genannten Zitat eindeutig mit freudscher Terminologie kontaminiert. In Anbetracht der Tatsache, dass Arthur Schnitzler in regem Austausch mit Freud stand und mit dem Inneren Monolog gleichsam eine literarisches Äquivalent zur Psychoanalyse versuchen wollte, scheint eine Untersuchung des delirierenden Sprechduktus der Theatertexte Schatten (Eurydike sagt), Raststätte oder Sie machens alle, Bambiland von Elfriede Jelinek vor der Folie Schnitzlerscher Freud-Rezeption ein Aufschluss versprechendes Unterfangen zu sein.
Es soll dabei als Ausgangspunkt gefragt werden, wie die Sprechstimme aus Schatten (Eurydike sagt) mit Fragmenten klassischer Theaterpraxis wie Mauerschau, Offenbarungsmonolog, dialogischem Sprechen hantiert und auf welche Weise ihr eine Kohärenzbildung dennoch misslingt. Diese Passagen sollen sodann mit der Monolognovelle Fräulein Else von Arthur Schnitzler gegengelesen werden, um strukturelle Parallelen zu erweisen. In einem zweiten Schritt sollen Wurzeln von dem Jelinekschen Verfahren des entstellenden Zitats in der vernachlässigten Briefnovelle Schnitzlers Andreas Thameyers letzter Brief aufgezeigt werden, um es in einem weiteren Schritt mit dem Text Die Schutzbefohlenen gegenzulesen. Dies eignet sich besonders, da sowohl das Werk Schnitzlers als auch Jelineks Theatertext das intertextuelle Verfahren zur Kritik/Persiflage kolonialistischer Diskurse verwendet. In einem letzten Schritt sollen Schnitzlers affirmative Verwertung Freudscher Ansätze mit deren kritischer Lesart durch Jelinek in den jeweiligen Werken kontrastierend erschlossen werden.
13.10.2015
Informationen zu Janik Hauser