Forschungsprojekt
(für den Nachwuchsworkshop 2018)
In Form der klassischen Komödie verweist Elfriede Jelineks Theaterstück Raststätte oder Sie machens alle mit parodierenden Elementen auf Mozarts Opera buffa Così fan tutte (Libretto von Da Ponte). Das Stück handelt von zwei Frauen, die mit fremden Männern ein tierisches, sexuelles Abenteuer erleben wollen. Das Treffen mit ihren als Elch und Bär verkleideten Ehemännern auf der dreckigen Toilette der Autobahnraststätte als einem Ort, der die Zivilisation symbolisiert, enttäuscht die beiden jedoch.
In Mozarts Oper verkleiden sich zwei italienische Männer als ausländische Adelige, um ihre Bräute auf ihre Treue zu testen. Ihre Andersheit als ethnische Fremde wird von der ausländischen Verkleidung sowie der Änderung ihrer Namen reflektiert. In Raststätte übernimmt Jelinek die Idee der Entfremdung des Individuums, lässt aber die Männer ihr eigenes Anderes als tierische Gestalt repräsentieren. Dabei konstruiert die Autorin eine Dichotomie von Menschlichkeit und Unmenschlichkeit, um das innere animalische Selbst/ICH der Menschen zu entlarven und die verfremdete Menschheit zu kritisieren. Außerdem ändern sich in Raststätte die Position und die damit verbundenen Rollen der Geschlechter. Im Gegensatz zu Mozarts Frauenfeindlichkeit sind die Frauen bei Jelinek Subjekte ihrer eigenen Lust anstatt erotische Objekte der Männer, während die Männer als entfremdete Subjekte zu den Objekten des aktiven Begehrens ihrer Frauen werden.
Dem Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit liegt vor allem Jelineks Beschäftigung mit Mozart in Bezug auf Fremdenfeindlichkeit und künstlerische Ausgrenzungstendenzen zugrunde, womit sich die Autorin in ihrem kurzen Essay Neujahr (2006) intensiv auseinandersetzt. Mittels eines metatheatralischen Codes versuche ich herauszufinden, wie Jelinek mit der subversiven Sprache, einer feministischen Perspektive sowie komischen Elementen über Mozart in die Gegenwart weist, um ihre politischen, philosophischen und künstlerischen Standpunkte auszudrücken. Dabei steht nicht nur der aus der veränderten Gender-Perspektive entstehende Alteritätsdiskurs im Kontext der Postmoderne im Mittelpunkt, sondern es wird die über den Weg der Sprachkunst/Künstlichkeit vermittelte Xenophobie – Angst vor sich Selbst und Angst vor der Fremdheit –in der österreichischen zeitgenössischen Kultur diskutiert.
24.7.2018
Informationen zu Jingsong Chen