Bachelorarbeit
„sie sind zornig, sie sind wütend, sie erregen sich über nichts und können mit ihrem Wasser den Brand nicht mehr löschen, der in ihnen tobt“¹
Elfriede Jelinek reagiert im Jahr 2016 auf tödlichen Attentate auf die Redaktionsmitglieder der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo und auf vier Kunden einen jüdischen Supermarktes im Januar 2015 in Paris. Sie fragt in Wut danach, welche Emotionen für eine solche Tat verantwortlich sind.
Die Arbeit untersucht die literarische Darstellung dieser ‚Verneinungsgefühle‘. Dementsprechend fokussiert die vorliegende Arbeit die These, dass der Text die kulturellen und sozialen Bedingungen der Emotionen, die in diesen extremistischen Wahn führen, performativ reflektiert.
Dabei sind bezüglich einer Gegenstandsbestimmung zunächst die Begriffe ‚Wut‘, ‚Aggression‘, ‚Zorn‘ und ‚Ressentiment‘ und ‚Hass‘ in philosophischer und literaturhistorischer Hinsicht voneinander abzugrenzen.
Die Einnahme einer gegenwartskritischen Position, welche Jelinek auch im Rahmen einer Engagierten Literatur zugeschrieben werden kann, ermöglicht ihr, Machtpositionen, welche durch die Sprache verschleiert werden, aufzudecken, hier Roland Barthes folgend. Die titelgebende Emotion kann hier als Leitaffekt angesehen werden, und vermittelt in diesem Text performativ ‚Grenzenlosigkeit‘. Diese Wirkung wird durch amalgamierende Verfahren und eine bestimmte Bauweise des Textes, dem rhizomatischen Prinzip, erzeugt. Durch diese Bauweise wirkt der Text wie ein Wutausbruch – irrational, unaufhaltsam und unberechenbar. Die schwer zugängliche Sprache und die hohe Dichte an intertextuellen Referenzen – hier unter anderem Homers Ilias und Euripides Herakles – lassen keine konkrete Figurenzuschreibung zu, wodurch eine explizite Täter-Opfer-Zuschreibung bezüglich der gewaltsamen Taten nicht möglich ist. Auch durch das Personalpronomen ‚wir‘ entsteht der Eindruck einer Unentwirrbarkeit. Dadurch kann der Fokus auf die sprachlichen und in der Gesellschaft vorherrschenden Machtstrukturen gerichtet werden.
Die Emotion ‚Wut‘ kann hier in Bezug auf die gewaltvollen Taten, aber auch bezüglich des Umfangs von Jelineks ‚Sprachflächen‘, worauf der Untertitel des Theatertextes bereits zu Beginn verweist, und generell auch bezüglich eines Theaterraumes als Experimentierfeld für tabuisiertes Sprechen als strukturgebend angesehen werden.
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¹ Elfriede Jelinek: Wut. http://www.elfriedejelinek.com/fwut.htm (7.9.2017), datiert mit 15.6.2015 / 17.7.2016 (= Elfriede Jelineks Website, Rubriken: 2016, Theatertexte).
2.7.2020