für den Nachwuchsworkshop 2022
Die produktivste Zeit für die österreichische gynozentrische Literatur waren die 1970er und 1980er Jahre, aber auch danach konnte die Tradition nicht verschwinden, weil die in gynozentrischen Texten angesprochenen Probleme in der Gesellschaft nicht gelöst wurden. Die Autorinnen, die in diesem Bereich geschrieben haben, wurden wiederholt für ihre radikalen Positionen und ihre Versuche kritisiert, die Norm der menschlichen Existenz nicht durch die Dekonstruktion der männlichen Norm, sondern durch die Konstruktion ihrer eigenen weiblichen Tradition zu definieren. Eine der problematischsten Fragen, die diese Literatur aufwirft, ist die, was es bedeutet, zu schreiben und gleichzeitig eine Frau zu sein. Elfriede Jelinek ist kaum eine Vertreterin der gynozentrischen Literatur, aber in ihrem Dramolett Die Wand überdenkt sie die Erfahrung mehrerer Autorinnen, die gynozentrische Texte geschrieben haben (Ingeborg Bachmann, Sylvia Plath, Krista Wolf), dekonstruiert und entmythologisiert sie. Wie in fast allen ihren Werken bietet Elfriede Jelinek weder ein positives Programm an, noch baut sie ihre Utopien auf, während sie scheinbar jede Hoffnung auf die Möglichkeit einer vollwertigen weiblichen Schriftstelleridentität zunichtemacht. Trotzdem schreibt Elfriede Jelinek selbst noch Texte. In diesem Beitrag schlage ich vor, durch eine Analyse von Elfriede Jelineks Drama Die Wand zu untersuchen, welches „positive“ Programm Elfriede Jelinek anbietet, wenn auch nicht in ihren Texten, sondern in ihrem eigenen Schreiben, und wie dieses Programm von der Tradition der österreichischen gynozentrischen Literatur beeinflusst wurde.
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