Heimo Halbrainer: Zwangsarbeit und Konzentrationslager in Eisenerz

Räumen Sie mal die Reste von 200 verstorbenen Menschen weg, und die sind nicht säuberlich verstorben, die haben ihr Blut um sich herum verteilt, ziemlich rücksichtslos, andrerseits hat es Beschäftigung gebracht, allerdings zu Zeiten, da noch niemand Beschäftigung brauchte, denn damals hat man noch eine ordentliche Beschäftigungspolitik gemacht […] (Neid 1,30)

Zwangsarbeit in Eisenerz

von Heimo Halbrainer

Gab es zu Beginn des Jahres 1938 in Österreich noch ein riesiges Heer von Arbeitslosen, so finden wir ein Jahr später in einigen Sparten bereits Arbeitskräftemangel. Dies ist neben der Abwanderung von rund 100.000 Facharbeitern nach Deutschland insbesondere auch auf die Einberufung zur Wehrmacht bzw. die Ausweitung der Produktion zurückzuführen. Vor allem in der Landwirtschaft der Steiermark, wo der Arbeitskräftemangel besonders akut geworden war, wurden ab 1939 erstmals polnische Kriegsgefangene eingesetzt. Ihnen folgten bald auch Zivilarbeiter aus Polen, wobei sich bereits zu diesem Zeitpunkt die Grenzen zwischen ziviler Lohn- und Zwangsarbeit zu verwischen begannen.
Bis Dezember 1939 trafen am Erzberg 300 von 1.500 angeforderten polnischen Arbeitskräften ein. Auch hier sollten den Zivilarbeitern bald Zwangsarbeiter folgen. Fünf Jahre später, im März 1945 war der ausländische Bevölkerungsanteil in Eisenerz 37,6 Prozent, wobei die kriegsgefangenen Russen mit über 2000 den größten Anteil stellten.
Aber nicht nur am Erzberg wurden Zwangsarbeiter eingesetzt. Bereits im Jahr 1940 wurden 174 Wiener Juden der Firma „Teerag ASDAG“ für den Ausbau der Präbichlstraße zur Verfügung gestellt.
Nachdem im Mai 1940 aus Berlin die Zustimmung erteilt worden war, Juden „zu Straßenbau- und Erdarbeiten heranzuziehen“, diese allerdings in den Lagern gesondert unterzubringen und zu kennzeichnen seien, wurden ihnen drei Lager „Prebichl“, „Bründlgschütt“ und „Kremplhof“ in Gsoll zugewiesen.
Ein Brief an die Israelitische Kultusgemeinde Wien vom 14. Juli 1940 gibt einen Einblick in die schwierigen Arbeits- und Lebensbedingungen der Juden in Eisenerz und das Ausgeliefertsein gegenüber dem nationalsozialistischen Staat.

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Arbeitslager für Juden in Eisenerz

War den in Eisenerz beschäftigten Juden anfangs ein Stundenlohn von 60 Reichspfennig ausbezahlt worden, so wurde dieser erst auf 40, dann auf 11 herabgesetzt, sodass der Bruttolohn für die neunstündige Arbeit 99 Rpf betrug. Allein die Verpflegungskosten machten pro Tag 1,30 RM aus, was dazu führte, dass ihnen die übliche Verpflegung entzogen wurde. Gleichzeitig wurde den 174 Juden von der Bauleitung bei Nichtbezahlung der Schuld mit der Übergabe an die Gestapo gedroht.
Erhalten gebliebene Dokumente der Schutzpolizei Eisenerz bestätigen diesen Umstand und zeigen die scheinbar einzige Möglichkeit aus dieser Situation zu entkommen: die unerlaubte Flucht der Juden aus Eisenerz.

aus: Institut für Strukturforschung und Erwachsenenbildung der AK-Steiermark (Hg.): Zwischen den Fronten. Die Region Eisenerz von 1938-1945. Leoben 2000, S. 30-31. Mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Konzentrationslager in Eisenerz

von Heimo Halbrainer

Den Konzentrationslagern kam im System der Zwangsarbeit eine besondere Rolle zu. Vor allem ab dem Jahr 1942, als der Arbeitskräftemangel auf Grund der auf Hochtouren laufenden Rüstungsanstrengungen einerseits und den durch militärische Rückschläge bedingten Schwierigkeiten bei der Rekrutierung ausländischer Arbeitskräfte anderseits immer spürbarer wurde, rückte die Arbeitskraft der KZ-Häftlinge immer mehr ins Blickfeld der SS. Die KZ-Häftlinge waren somit für den Staat eine der letzten verfügbaren Arbeitskräftereserven.
Über 40 Nebenlager des KZ Mauthausen entstanden in der Folge in Österreich. In manchen dieser Lager wurden tausende Häftlinge zur Arbeit angetrieben und zu Tode gebracht. In anderen Lagern gab es nur einige wenige Häftlinge. Die drei großen KZ-Nebenlager in der Steiermark – neben dem Lager Eisenerz gab es noch die Konzentrationslager Peggau und Aflenz/Leibnitz, deren Häftlinge für den Rüstungsbetrieb Steyr-Daimler-Puch tätig waren – entstanden erst 1944, als es vor allem auch darum ging, die Rüstungsproduktion in unterirdische Stollenanlagen zu verlegen, um den alliierten Bomben zu entgehen.
Wie wichtig diese KZ-Nebenlager für die Industrie in der Spätphase der NS-Herrschaft geworden waren, zeigt der Vergleich der Häftlingszahlen in Mauthausen mit jenen der Außenlager. Während sich in Mauthausen Ende 1944 rund 10.000 Häftlinge befanden, war die Zahl aller in Außenlagern fest- und zur Zwangsarbeit angehaltenen Häftlinge rund sechs mal so groß, was zu diesem Zeitpunkt einem Viertel aller in der Industrie beschäftigten ausländischen Zivil- und Zwangsarbeitern entsprach.

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Das KZ auf der Feistawiese (Dall-Asen)

Erste Pläne neben dem Zwangsarbeiterlager in Eisenerz auch ein Außenkommando des KZ Mauthausen zu errichten, datieren zurück in das Frühjahr 1943. Die Reichswerke Hermann-Göring Eisenerz mit ihrem immer größeren Bedürfnis nach Arbeitskräften suchte zu diesem Zeitpunkt in Mauthausen um Häftlinge für den Erzberg an. Im Sommer dürften die ersten aus dem KZ Gusen nach Eisenerz gekommen sein, die mit dem Aufbau des Eisenerzer Konzentrationslagers begannen. Auf einer ersten Liste von KZ Häftlingen, die nach Eisenerz überstellt wurden, finden wir 15 Maurer, 6 Zimmerer, je zwei Tischler, Schlosser, Schmiede, Schuster, Schneider und je einen Klempner und Koch sowie 366 Hilfsarbeiter.

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Die rechte Gleisanlage führte in das KZ Feistawiese (Dall-Asen)

Durchschnittlich waren am Aufbau des Konzentrationslagers 300 bis 400 Häftlinge im Einsatz. Im März 1945 wurden alle nach Peggau überstellt, von wo sie Anfang April 1945 nach Mauthausen überstellt wurden.
In den 50er Jahren wurde das Gelände, auf dem das KZ Eisenerz errichtet worden war, zum Schüttgebiet erklärt und unter einem hohen Schüttkegel aus taubem Erzgestein begraben. Damit wurde aber auch die Erinnerung an das nationalsozialistische System zugeschüttet. Kein Wort mehr von den Verbrechen, die in und um Eisenerz geschahen, kein Wort mehr darüber, dass die Sklavenarbeiter am Erzberg bzw. in der Alpine ganz wesentlich die Fundamente des Wirtschaftswunders nach 1945 setzen geholfen haben.

aus: Institut für Strukturforschung und Erwachsenenbildung der AK-Steiermark (Hg.): Zwischen den Fronten. Die Region Eisenerz von 1938-1945. Leoben 2000, S. 31-33. Mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Heimo Halbrainer arbeitet als Historiker und Obmann von CLIO – Verein für Geschichts- und Bildungsarbeit in Graz.

Online-Redaktion: Christoph Kepplinger, Elfriede Jelinek-Forschungszentrum

Weblinks

Informationen zum KZ Eisenerz auf www.geheimprojekte.at
Webseite der KZ-Gedenkstätte Mauthausen und dessen Nebenlager