Clemens Kahrer: Schein-Heiliges Theater. „Krankheit oder Moderne Frauen“ zwischen Profanem und Heiligem

Universitäre Arbeit

Blut ist ein besonderer Saft! Das gilt für die weltliche wie für die religiöse Literatur. Das Profane und das Sakrale müssen aber kein Gegensatz bleiben – für Elfriede Jelinek, die bewusst Grenzen auslotet und außer Kraft setzt. Dennoch müssen beide Pole einmal kontrastiv eruiert werden. „Profan“ und „heilig“ über Definitionen[1] begreiflich zu machen, gestaltet sich nicht einfach. Ein Merkmal des Heiligen besteht ja bereits darin, dass es nicht rational, sondern nur über gefühlsmäßige Erfahrung beschreibbar ist. Es enthält Numinöses, das gleichzeitig Anziehung ausübt sowie Distanz schafft. Das Heilige liefert einen festen Punkt, von dem jede Orientierung ausgeht, hebt sich als das Elitäre aus dem großen Reservoir des Gewohnten ab. Es ist restriktionsbehaftet oder sogar mit dem Tabu der Unantastbarkeit belegt, genießt zeitlose Gültigkeit. Den Kontrast dazu bildet das Profane, das vom Heiligen durch Brechungen in Raum und Zeit abgehoben werden kann. Es ist diesseitsorientiert, der temporalen Veränderung unterworfen, rational ausgerichtet, gleichförmig. Die nunmehr erfolgte Gegenüberstellung darf man durchaus im Hinterkopf behalten; allzu ernst sollte man sie allerdings nicht nehmen. Lange wird der strikte Gegensatz ohnehin nicht halten. Durch ihre Relativierung von Profanem und Heiligem ermuntert Jelinek zu einer genaueren Untersuchung der entsprechenden Opposition im Rahmen des Katholizismus. Unbequemer Weise wird die Frage nicht ausbleiben können, ob nicht auch dort Durchlässigkeiten möglich sind. In seiner ursprünglichen Bedeutung bezeichnet profan ja auch gar keinen Extremwert, sondern meint den Bereich, der „vor dem heiligen Bezirk lieg[t]“.[1] Mit diesem Hinweis auf das Räumliche scheint eine anfängliche Beschäftigung mit der „Verortung“ von Profanem und Heiligem unerlässlich; es sollen unterschiedliche Interpretationsweisen gezeigt werden, vom Nebeneinander bis zur Opposition, bei der sich zunehmend Reibepunkte zwischen Jelinek und dem Katholizismus ergeben. Anhand von Jelinek-spezifischen dramatis personae, wie Vampirin, Heiliger und Märtyrerin aus dem Stück „Krankheit oder Moderne Frauen“ sie darstellen, soll dann das Zusammenwirken von Sakralem und Profanem in der theatralen Figurenkonzeption begutachtet werden. Sprachliche und außersprachliche Merkmale sind dabei einzubeziehen. Als Einstimmung darauf sollte man sich bereits vom Gedanken der Eindeutigkeit verabschieden, denn vielleicht funktioniert anstelle eines Nebeneinanders ja auch das Ineinander von Heiligem und Unheiligem. Beim sprachzentrierten Thema, der Argumentationsführung, wird der Weg vom Profanen ins Sakrale verfolgt: Es gilt einmal zu zeigen, wie mit Worten der Heiligen Schrift profane Theaterfiguren divinisiert werden. Die Aufgabe dieses Abschnittes besteht darin, nachzuweisen, dass ein solcher Vorgang gelingt. Nach dem Motivationshintergrund und dem Wozu? fragt das nächste Kapitel: Es beschreibt sprachliche Strategien, die profanen Zwecken unter dem Deckmantel heiliger Worte und Personen zur Legitimation verhelfen. Ein simpler Vampirbiss, ein grober Geschlechterkampf werden – Jesu sei Dank! – in glorreichem Licht erstrahlen. Im Bemühen um eine kontrastive Vorgehensweise folgt dann noch der umgekehrte Weg: vom Sakralen ins Profane. Als präzisierender Untersuchungspunkt wird dafür das speziell Katholische herausgegriffen. Zu dessen Herabsetzung ins Profane bedarf es keiner massiven Eingriffe: Es genügt eine kleine Umgestaltung des Wortmaterials, die dennoch große Wirkung erzielt. Trotz der spöttelnden Fassade gilt es immer noch darüber nachzudenken, ob hinter ihr nicht doch ein Körnchen katholische Wahrheit verborgen liegt. Abschließend kann dann überlegt werden, welche Aspekte der Eingangsdefinition für das Profane und Heilige einen Wandel erfahren haben.

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