Bachelorarbeit
Gerade im Bereich der Soziologie wird Individualität vielfach diskutiert. ForscherInnen nehmen dabei Bezug auf die Arbeiten von Pierre Bourdieu, der schon in den 80ern Kapitalisierungsverhältnisse auf soziale Ressourcen ausweitete. Die Subjektivierungsprozesse verändern das Verhältnis des Einzelnen zu seiner Umwelt und Wechselwirkungen zwischen diesen beiden Spielern werden in den Hintergrund gedrängt. Elfriede Jelinek sperrt sich gegen diesen Trend und konstruiert Individualität aus der sozialen und ökonomischen Schnittmenge, in der sie eine Figur lokalisiert. Dieser poetologische Ansatz kristallisiert sich in ihrem Essay „Im Lauf der Zeit. Ein Vorwort.“ heraus, der am 4.9.2001 auf ihrer Homepage erstmalig erschienen ist. Aus der Betrachtung von filmischer, subjektivierender und handlungsorientierter Erzählweise arbeitet Elfriede Jelinek die Möglichkeiten einer objektivierenden literarischen Erzählweise heraus. Somit löst sie das Paradox auf, das Figuren „einzigartig [sind], indem sie sind wie alle.“ 1)
Die Bachelorarbeit widmet sich der Frage, wie die Autorin des Romans „Die Klavierspielerin“ in ihrem Essay die Figurenkonstruktion und das Erzählen von Leben in der Verfilmung von Michael Haneke reflektiert und welche Einblicke sie darüber in ihre eigene Poetik gibt. Beantwortet wird diese Frage methodisch sowohl gattungstheoretisch in der Analyse der Textform des intermedialen Essays nach Christoph Ernst, hermeneutisch mittels der Selbstaussagen der Autorin und Michael Hanekes in Interviews als auch eine narratologisch, angelehnt an die Jutta Schlichs Untersuchung des Roman „Lust“. Zu den Schwierigkeiten des Erzählens der Wirklichkeit und des Lebens ziehe ich den biografietheoretischen Ansatz von Pierre Bourdieu in seinem Aufsatz die „biografische Illusion“ heran und verdeutliche damit Jelineks soziologische Perspektive auf Individualität. Die Biografie-Theorie kann im Hinblick auf Jelineks Werke Aufschlüsse über die Schwierigkeiten ihres Erzählens geben, das den hohen Anspruch hat, Realität zu erzählen. Die Betrachtung ihrer Figurenkonstruktion ermöglicht Vergleiche mit den Werken von anderen AutorInnen und könnte die Einzigartigkeit ihres Schreibens literaturhistorisch kontextualisieren.
1) Jelinek, Elfriede: Im Lauf der Zeit. Ein Vorwort. Erschienen auf elfriedejelinek.com. Abgerufen am 19.9.2013.
30.9.2013