Forschungsprojekt
In vielen literarischen Werken wird Musik mit Gewalt in Verbindung gebracht. Die Verbindung von klassischer Musik und Gewalt ist über den Rahmen der Literatur hinaus besonders, z.B. auch aus der Filmmusik geläufig. Die Verbindung von Musik und Gewalt erscheint als transmedialer Topos, der oft als gewollter Kontrast von Zivilisation und Barbarei gedeutet wird, aber auch als Reflexion des tatsächlichen historischen Ge/Missbrauchs der Musik im Kontext von Gewalt und Folter zu verstehen ist. Angesichts der Häufigkeit dieser Verbindung stellt sich die Frage, ob die Gründe hierfür weniger als Kontrast zu verstehen sind, sondern auf einem Ähnlichkeitsverhältnis beruhen.
Dieses Projekt will die Frage eines gemeinsamen Nenners von Gewalt und Musik näher untersuchen. Die Art und Weise der intermedialen Bezüge zur Musik im Kontext von Gewalt in den Werken von Heinrich von Kleist, Thomas Mann, Elfriede Jelinek und Anthony Burgess geben in ihrer Reflexion dieses Zusammenhangs Hinweise diskursiver wie struktureller Art.
Hier wird Musik und ihre Ausübung mit auch mit Metaphern der Gewalt geschildert, wie in Heinrich von Kleists „Die Legende der Heiligen Cäcilie oder Die Gewalt der Musik“ (1810) oder in Elfriede Jelineks Die Klavierspielerin (1983). Dies legt die Vermutung nahe, dass der wiederkehrende Gebrauch der Musik im Kontext der Gewalt auf einer grundlegenden Gemeinsamkeit von Musik und Gewalt beruht, die häufig verwendet, selten reflektiert und in oben genannten Literaturbeispielen strukturell genutzt oder diskursiv thematisiert wird. Besonders provozierend stellt Anthony Burgess diese Verbindung in A Clockwork Orange (1962) her.
Die Verbindung zwischen Gewalt und Musik ist bislang hauptsächlich für bestimmte Werke oder Epochen untersucht worden, nach übergreifenden, medial bedingten Gründen ist dabei jedoch nicht gefragt worden. Diese Forschungslücke soll mit diesem Projekt geschlossen werden. Dabei gehe ich von den Ergebnissen meiner Dissertation aus, in der intermediale Bezüge zur Musik in der Literatur als Steigerung der transmedialen, also Musik und Literatur gemeinsamen, Kennzeichen erklärt werden können. Folglich stellt sich die Frage, ob auch die Verbindung von Musik und Gewalt, wie sie in den genannten Texten thematisiert wird, etwas über Eigenschaften der Musik aussagt, die sie mit Gewalt teilt. Der Schlüssel zu dieser Verbindung scheint in einem performativen Musikkonzept zu liegen, das die direkte körperliche Wirkung der Musik hervorhebt.
Dabei kann die Diskussion einer Gemeinsamkeit zwischen Musik und Gewalt zeigen, wie innerhalb der Intermedialitätstheorie entwickelte Methoden konstruktiv auf neue Zusammenhänge angewendet werden können. Dieser Ansatz ermöglicht es auch, dass in diesem Projekt eine literaturwissenschaftliche Analyse Antwort auf eine Frage gebe kann, die weit über den Rahmen der Literaturwissenschaft hinaus relevant ist.
24.6.2014
Informationen zu Beate Schirrmacher