Judith Strobich: „bukolit.hörroman“ – Antiform oder Formalismus? Die Beziehung zwischen Ästhetik, Parodie und deren „Nutzen“

Forschungsprojekt
(für den Nachwuchsworkshop 2014)

Elfriede Jelineks erstes Prosawerk bukolit (verfasst 1968, herausgegeben 1979) wird, um dieses Werk überhaupt klassifizieren zu können, gerne in Beziehung zur Wiener Gruppe gesetzt und dabei auf deren Herangehensweise an Sprache verwiesen. Ähnliche Verfahren wie innerhalb der konkreten Poesie, die Verwandtschaft des Hörromans mit Lautgedichten, das schriftliche Erscheinungsbild, das an einigen Stellen im Roman an visuelle Poesie erinnert, Wortzusammensetzungen und Konsonantenhäufungen, die zu Kakophonien verschmelzen, all das verschafft den Eindruck, dass die Form im Mittelpunkt steht und „Verstehen“ hauptsächlich dadurch generiert wird, dass man sich auf die Analyse der Form konzentriert. Fragen, die sich bei dieser rein formalen Betrachtungsweise ergeben, sind unter anderem: Wird die Sprache (und weiterführend auch der Inhalt des Romans) durch die Betonung auf die Form semantisch entleert und ist das Anliegen der Autorin tatsächlich als ein rein sprachphilosophisches zu betrachten? Durch eine formalistische Herangehensweise wird der Inhalt jedoch in den Hintergrund gerückt und gerade die gesellschafts- und genderkritische Instanz, die für die Werke Elfriede Jelineks essentiell ist, geht dabei verloren. Was jedoch, wenn die Form des Romans unter dem Paradigma der Antiform interpretiert wird? Nicht das Endprodukt an und für sich, sondern die Performanz (der Schaffensprozess) wird dadurch in den Vordergrund gerückt und dabei die Form bzw. auch der Werkbegriff
selbst dekonstruiert. Diese Herangehensweise führt weg von der Betonung der Form und öffnet den Zugang zu postmodernen Analysekriterien. Antiform, Anti-Narrative, Polyphonie etc. werden von Ihab Hassan in seinem Aufsatz Towards a Concept of Postmodernism (1987) als postmoderne Kriterien etabliert, die zwar die Form betreffen, aber es auch ermöglichen, den für den Roman bukolit ausschlaggebenden Punkt der Ironie ebenfalls in den Mittelpunkt zu rücken. Nicht mehr die Form per se steht dann im Vordergrund, sondern der ironische Akt bzw. die Parodie. Unter diesem Gesichtspunkt der sprachlichen Parodie eröffnet sich unter Linda Hutcheons Definition von Parodie auch der Weg für die Analyse der sozialen Dimension des Romans. Hutcheon verbindet nämlich in ihrem Buch Poetics of Postmodernism: History, Theory, Fiction (1988) Parodie mit einem geschichtlichen und ideologischen Aspekt. Parodie wird dabei als eine Wiederholung unter kritischer Distanz verstanden, und zwar sowohl als sprachliche wie auch als gesellschaftliche Wiederholung von Normen und Mustern. Ästhetik (Form) sei demnach nicht selbstreferentiell, sondern weise immer auf ein außerhalb der Ästhetik stehendes Element hin, da die Form nicht ohne bereits bestehende Verweise existieren könne, woraus bei Wiederholung bzw. Parodie ein „Nutzen“ entstehe. Die Frage, die daher aufgeworfen wird, ist, ob durch die Hervorhebung der ironischen und parodistischen Elemente eine neue (zweite) sozial- und genderkritische Dimension im Roman bukolit zum Vorschein tritt, die nicht nur durch die Form betont wird, sondern besonders durch den „Nutzen“ entsteht, der aus der Parodie ästhetischer Form hervorgeht.

26.6.2014

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