Masterarbeit
Die vorliegende Masterarbeit versucht, Ansätze aus der feministischen Kunstwissenschaft für das Theater Elfriede Jelineks am Beispiel des 2012 uraufgeführten Stück Schatten (Eurydike sagt) fruchtbar zu machen.
Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Tatsache, dass Jelineks (Theater-)Texte immer wieder von der Problematik der ‚Sichtbarkeit‘ weiblich sozialisierter Personen handeln – von dem Problem der ‚Frau‘, in einer von patriarchalischen Weiblichkeitsbildern geprägten Gesellschaft eine eigene Subjektivität zu konstituieren. Dies ist insbesondere im Stück Schatten (Eurydike sagt) der Fall.
Die feministische Kunstwissenschaft, insbesondere die Filmtheorie und die sog. visual culture studies, haben sich seit den 70er Jahren mit dem Zusammenhang von Blick, Wahrnehmung und Geschlechtskonstitution auseinandergesetzt. Ein besonders produktives Konzept ist das des ‚Blickregimes‘, denn es beschreibt, wie hegemoniale Visualisierungs- und Wahrnehmungskonventionen dazu beitragen, bestimmte gesellschaftliche Dominanzverhältnisse zu stabilisieren. Wie die Filmtheoretikerin Kaja Silverman argumentiert, haben jene Blickregime aber auch Rückwirkungen auf die Konstitution von Subjekt – und damit auch von Geschlecht.
Die vorliegende Arbeit versucht, den Begriff des Blickregimes zu einem literatur- und theaterwissenschaftlichen Analyseinstrument umzufunktionieren. Dabei werden zunächst die im Theatertext manifesten hegemonialen visuellen Ordnungen auf einer inhaltlichen Ebene analysiert. Dass Jelinek die Stabilisierung von geschlechtlichen Machtverhältnissen qua Visualisierungskonventionen problematisiert, kann jedoch auch an der auf Antiillusionismus zielenden Darstellungsebene bzw. der Theaterästhetik aufgezeigt werden. Wie sich zeigt, zielt Jelineks Theater sowohl auf Ebene des Inhalts, als auch auf Ebene der Theaterästhetik darauf ab, das dualistische Repräsentationsmodell, das dem herrschenden Blickregime zugrunde liegt, in seinen Konstruktionsmechanismen bloßzulegen und damit aufzuzeigen, wie es Geschlechterdifferenz herstellt und zementiert. Gleichzeitig wird dieses Repräsentationsmodell zum Schwanken gebracht, indem die semantische Referenzlosigkeit des Zeichens, die eine geschlechtliche Zuordnung nicht mehr zulässt – auf Textebene versinnbildlicht am Motiv des Schattens, auf der Bühne im von der szenischen Figur losgelösten Schauspielerinnenkörper – ins Feld geführt wird.
9.10.2014
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