Masterarbeit
„Die Sprache will jetzt sprechen gehen!“ Das Zitat aus Lust beschreibt den Schreibstil der Autorin Elfriede Jelinek ganz konkret. In ihren Romanen ist nicht die Figur der Protagonist, sondern die Sprache. Sie gilt als Meisterin der Sprache, denn sie versteht ihr Handwerk, das Spiel mit der Sprache. Ihre Texte sind Spielfelder, auf denen die Wörter wie Spielfiguren mal hierhin, mal dorthin geschoben werden. Hierbei repräsentiert Jelinek die Spielleiterin, die ihre eigenen Regeln entwickelt und diese dem Leser durch die Sprache vorgibt. Sie konstruiert mit Lust immer neue und andersartige Spiele, auf die der Rezipient während der Lektüre nicht nur visuell, sondern auch klanglich aufmerksam gemacht wird.
Das Sprachspiel stellt zum einen den spielerischen Umgang mit der Sprache dar und zum anderen ist es als Begriff auch Gegenstand philosophischer Diskurse. Diesen beschreibt der Philosoph Ludwig Wittgenstein als eine alltägliche Tätigkeit des Menschen. Damit das Sprachspiel funktioniert, braucht es, wie jedes andere Spiel Regeln. Überdies sind im Spiel selbst immer neue Kombinationen und Variationen der sprachlichen Konstruktion möglich. Wittgensteins These sagt aus, dass jede sprachliche Aussage ihre Bedeutung im Gebrauch und im Kontext hat.
Es kommt die Frage auf, wie die philosophischen Erkenntnisse über Spiele in der natürlichen, alltäglichen Sprache mit dem experimentellen, spielerischen Schreibstil der österreichischen Autorin Jelinek zusammenzubringen sind, denn sie benutzt, wie jede andere Schriftstellerin die literarische Sprache. Die Auffassung Wittgensteins, dass alle sprachlichen Aussagen auch Sprachspiele sind, spricht für die Anwendung der philosophischen Thesen auf die Sprache und Sprachspiele der Literaturwissenschaft. Dies macht es möglich, einige Kenntnisse Wittgensteins für die Analyse und Interpretation von Jelineks Sprachspielen fruchtbar zu machen.
In der vorliegenden Arbeit soll untersucht werden, inwieweit der philosophische Begriff des Sprachspiels für die Literaturwissenschaft im Allgemeinen und vor allem im Hinblick auf die Analyse des Schreibverfahren von Elfriede Jelinek in den Romanen Die
Liebhaberinnen, Die Klavierspielerin und Lust verwendet werden kann. Des Weiteren wird die Funktion des Spiels mit der Sprache und den Worten anhand von beispielhaften Textstelle aus den vorliegenden Romanen analysiert.
Kritiker bewerten Jelineks Texte als frauenfeindlich, da die weiblichen Figuren oftmals unterdrückt und erniedrigt dargestellt werden. Allerdings geht die Intention der Autorin in die gegenteilige Richtung, denn durch ihre radikalen und drastischen Beschreibungen will sie die schlechte soziale Stellung der Frau in der Gesellschaft kritisieren und anprangern. Dies gelingt ihr, indem sie die Wahrheit durch die Sprache benennt und dabei nicht die abgegriffene Rede, die schon in der Sprachkrise Probleme bereitet hat, benutzt. Sie erfindet die Sprache neu, indem sie immer neue kombinierbare Sprachspiele erschafft.
Zunächst steht der Begriff des Sprachspiels nach Ludwig Wittgenstein im Fokus. Darauffolgend wird der Schreibstil der Autorin und die damit verbundene Mythenaufdeckung im Bezug auf Roland Barthes Begriff des Mythos analysiert. Dann werden verschiedene Sprachspiele, die Jelinek in ihren Werken benutzt, analysiert und interpretiert. Im letzten Kapitel wird ein besonderes Sprachspiel, die Satire aufgegriffen, denn diese stellt ein Sprachrohr für Jelinek dar, um dem Frust über die negative Wirklichkeit Ausdruck zu verleihen.
29.11.2017
Informationen zu Nina Dangendorf