Artur Sartori Kon: Plädoyer für ein seichtes Theater: Elfriede Jelineks oberflächliche Theatertexte

Dissertation

In dieser Dissertation werden die Werke der österreichischen Schriftstellerin Elfriede Jelinek untersucht, nämlich ihre Theatertexte, die in Brasilien noch einzuführen sind. Die von Hans-Thies Lehmann als Hauptreferenz zum Begriff des „Postdramatischen Theaters“ zitierten Stücke dieser Autorin erfordern eine besonders produktive Diskussion über die mögliche Bedeutung des Stückschreibens in einer Zeit, in der es so aussieht, als ob das Theater sich autonom gegenüber dem Text gemacht hat. Dass Jelinek aber immer noch für das Theater schreibt, und zwar ein seltenes Bewusstsein dieses geschichtlichen Zusammenhangs dabei zeigt, macht sie zu einer privilegierten Gesprächspartnerin bei den Diskussionen über gegenwärtige Theaterästhetik.

Es wird ein Ansprechen vorgeschlagen, das es in der dialektischen Linie von Theodor Adorno, Peter Szondi, Christoph Menke und dem zuvor genannten Lehmann begünstigt, eine historische Beziehung zwischen Form und Inhalt zu etablieren. Solche Perspektive führt zu einer Analyse, die in vier Kapiteln geteilt wird.

Zunächst geht es um das Verhältnis zwischen Genre und Gender (ins Portugiesisch können beide Wörter als „gênero“ übersetzt werden), mit Referenz auf die Idee der Performativität des Geschlechts nach Judith Butler. Dafür beschäftigt sich das Kapitel mit den ersten Stücken Jelineks (Was geschah, nachdem Nora ihren Mann verlassen hatte oder Stützen der Gesellschaften, Clara S. und Krankheit, oder Moderne Frauen) sowie dem Prinzessinnen-Zyklus Der Tod und das Mädchen I – V und dem Sekundärdrama FaustIn and Out.

Das zweite Kapitel untersucht die Chortexte Wolken.Heim. und Die Schutzbefohlenen, um das Problem vom Status der Figuren und Subjekten im Theatertext zu diskutieren in Verbindung mit der Frage von Identität und Fremdheit, Individuum und Kollektiv in der heutigen europäischen Politik.

Im dritten Teil wird die Möglichkeit eines „postdramatischen Realismus“ formuliert, durch eine Analyse der Stücke Die Kontrakte des Kaufmanns und Ulrike Maria Stuart. Dadurch werden wichtige Themen für das Werk Jelineks diskutiert, nämlich die Transformationen des gegenwärtigen Kapitalismus und das Scheitern der radikal antikapitalistischen Linken.

Zuletzt wird am Beispiel der Stücke Rechnitz (Der Würgeengel), Kein Licht und Am Königsweg ein metatheatralischer Aspekt der jelinekschen Texte herausgearbeitet. In ihren poetischen Antworten auf verschiedene Katastrophen – das Massaker von Rechnitz, der Nuklearunfall von Fukushima und der Wahlsieg Donald Trumps – stößt Jelinek auf die Ohnmacht der Theaterarbeit, das heißt, auf ihre eigenen Machtlosigkeit. Das Tragische wird aber in ihren Texten mit einer komischen Seite konfrontiert, und aus der Dialektik von beiden ergibt sich eine kraftvolle und originale Theaterästhetik.

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