Claudia Schiefer: Das Volkstheater im Burgtheater – Die Volkstheatertradition in Elfriede Jelineks Burgtheater. Posse mit Gesang

Bachelorarbeit

Abstract

Schon der Titel von Elfriede Jelineks Stück Burgtheater. Posse mit Gesang ruft Irritationen hervor, denn Possen werden eher mit dem Volkstheater in Verbindung gebracht und nicht mit dem Burgtheater, das als österreichisches Nationaltheater gilt. In Jelineks Burgtheater lassen sich konkrete Bezüge zum Wiener Volkstheater und seinen beiden bekanntesten Vertretern Ferdinand Raimund und Johann Nepomuk Nestroy finden. Jedoch werden diese Elemente nicht einfach unverändert übernommen, sondern in neue Zusammenhänge gestellt und postdramatisch abgewandelt. Diese Bachelorarbeit geht folgender Forschungsfrage nach: Wie wird die Tradition des Altwiener Volkstheaters in Burgtheater eingesetzt? Nach einem Überblick über den Begriff und die Entstehung des Wiener Volkstheaters werden zentrale Merkmale des Volkstheaters herausgearbeitet und deren Verwendung in Elfriede Jelineks Stück analysiert. Diese ausgewählten Elemente sind: Körperlichkeit und Komik, Wiener Dialekt als Bühnensprache sowie typenhafte und allegorisierte Figuren. Auf Raimund und Nestroy und auf die volkstheatrale Gattung Posse wird ebenso eingegangen. Jelinek setzt die Tradition des Volkstheaters nicht in konzeptioneller Hinsicht ein, denn es geht ihr nicht darum, ein modernes ‚Volksstück‘ zu schreiben und die alte Tradition wieder aufleben zu lassen. Stattdessen benutzt sie die volkstheatralen Elemente in Form eines Zitats, wie auch das ganze Stück aus Zitaten besteht. Diese volkstheatralen Traditionen werden aber nicht eins zu eins übernommen, sondern grotesk überformt, mit Neuem kombiniert und dadurch hinterfragt. Burgtheater ist keine Posse im volkstheatralen Sinn, beinhaltet jedoch possenhafte Elemente. Durch das Einstreuen von traditionellen Komponenten des Wiener Volkstheaters und den Bezug auf die populären Vertreter Raimund und Nestroy wird sowohl der Lokalbezug als auch der Vergangenheitsbezug verstärkt und die Kontinuität dieser Tradition und der Umgang mit ihr infrage gestellt. Durch das Zitieren der volkstheatralen Traditionen wird einerseits die Institution Burgtheater als Ort der Hochkultur mit etwas Konträrem konfrontiert und dadurch seine Stellung hinterfragt, andererseits werden die Traditionen des Volkstheaters durch das Verfremden selbst karikiert und dadurch möglicherweise auch der Umgang mit den Volkstheatertraditionen in der NS-Zeit und in der frühen Nachkriegszeit kritisiert. Gleichzeitig wird auf die Problematik des Fortbestands der NS-Ideologie im Kulturbereich und auf Verdrängungsmechanismen hingewiesen.

29.09.2021

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