Ester Saletta: Pasolinis und Jelineks literarische Auseinandersetzung mit der Körpersprache

Das Motiv der linguistischen Valenz der Körpersprache in der Welt der Kunst ist kein junges Thema, wenn es auch stimmt, dass die Cultural Studies in den letzten zwanzig Jahren viel von ihm reden machten. Die Erkenntnis von der Bedeutung der Körpersprache als hermeneutisches Mittel für das Weltverstehen hat ihre Wurzel schon in älteren physiognomischen Untersuchungen wie etwa denjenigen Lavaters, Goethes und Lessings zum Thema von Kunst, Bewegung und Körper.

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Pier Paolo Pasolini

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Pier Paolo Pasolini

Das Motiv der linguistischen Valenz der Körpersprache in der Welt der Kunst ist kein junges Thema, wenn es auch stimmt, dass die Cultural Studies in den letzten zwanzig Jahren viel von ihm reden machten. Die Erkenntnis von der Bedeutung der Körpersprache als hermeneutisches Mittel für das Weltverstehen hat ihre Wurzel schon in älteren physiognomischen Untersuchungen wie etwa denjenigen Lavaters, Goethes und Lessings zum Thema von Kunst, Bewegung und Körper. Pier Paolo Pasolini und Elfriede Jelinek gehen denselben Weg in ihren Prosa- und Theatertexten der postmodernen Zeit, als Bestätigung, dass das schriftliche und gesprochene literarische Wort, das essentiell und manchmal auch in seiner massenmedialen gesellschaftlichen Bedeutung dekonstruiert ist, eine neue „Körperlichkeit“ hat, d.h. dass es ein linguistisches Zeichen geworden ist, eine Metasprache, mit der man die Welt dekodieren kann. Das Wort als metalinguistische Körpersprache folgt dem Gesetz der Perfomanz in dem Sinne, dass jedes Wort zeitlich und örtlich „flüssig“ ist. Bei Pasolini und Jelinek sind Sprechen und Handeln gleichwertige Teile der Lebens- und Kommunikationsmetapher. Jede Körperbewegung entspricht einer linguistischen Tat und umgekehrt, sodass man von einem „Wort-Körper“-Gespräch zwischen Ich und Welt sprechen kann. Diese Denkungsart steht auf der Basis vom Pasolinis und Jelineks Kunstdiskurs und ist als Antwort auf die illusorische und leere Sprache der Werbung und der Massenkommunikation zu verstehen, in der die Körper nur unbedeutende und falsche Wahrheiten mitteilen. Pasolinis und Jelineks menschliches und künstlerischen Engagement für die Bewahrung der ursprünglichen Valenz des Körpers als alternatives, naturhaftes und wahres Sprachmittel kämpft gegen die Uniformierung der Kultur und die Verdinglichung des Wesenskörpers. Nicht mehr die artifizielle plastische und unechte Körperschönheit wie die des Fernsehens oder der Illustrierten, sondern die mangelhafte, unvollkommene und genuine Physizität eines hässlichen Körpers kommuniziert die Wahrheit der Natursprache. Beispiele dafür sind die Bildausschnitte der armen Männer einzelner römischer Stadtviertel in Pasolinis Filmen sowie auch die wilden Theaterszenen von Jelineks Stücken, in denen brutale Gewalttaten die Menschenkörper vergewaltigen. All diese Körperdarstellungen symbolisieren Pasolinis und Jelineks Bedürfnis nach der Rückkehr zur menschlichen Urdimension. Diese ist die einzige Lösung für das Wiedergewinnen der Lebenswahrheit.

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Literaturhinweise

  • Saletta, Ester: Racconti viennesi. Ediz. italiana e tedesca. Con CD-ROM. Aracne 2008.
  • Saletta, Ester: Letteratura e pari opportunità: discorso interdisciplinare. Aracne 2007.
  • Saletta, Ester: Immaginare il femminile. Fräulein Else nella letteratura austriaca del primo dopoguerra.

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