Gloria Höckner: Elfriede Jelineks Sprache als Körper, Körper als Resonanz

Forschungsprojekt
(für den Nachwuchsworkshop 2014)

Mein Projekt besteht in der Verschränkung künstlerisch-wissenschaftlicher Forschung, die sich mit dem Theatertext Über Tiere befasst. Hierbei wird Jelineks Perspektive auf Gender nicht von einem rein feministischen Standpunkt aus befragt, sondern vor allem unter dem Aspekt der Auflösung binärer Denkweisen und der Kritik an Identität, dieser „am meisten naturalisierte Kategorie“1), wodurch queer-theoretische und performative Ansätze (genauer die Theorie der Performativität von Geschlecht von Judith Butler) aufschlussreich scheinen.2)
In dem Theatertext Über Tiere gibt es eine Trennung des Textflusses in weibliches und männliches Sprechen, jedoch sonst kein personalisiertes Sprechen in Form von Figurenreden. Somit, so meine These, wird das binäre Denken in Hinblick auf die Geschlechterkonstitution thematisiert und auf die dramatische binäre Struktur (Monolog/Dialog) übertragen. In anderen Worten wird die dramatische binäre Form als strukturierendes Normativ thematisiert und Geschlecht als diskursives Konstrukt innerhalb der binären Logik verortet, welches sich durch die Annahme einer Rolle körperlich materialisiert. Durch Elfriede Jelineks ästhetische Verfahren, ihre rhizomatische Schreibweise, werden die binäre Geschlechterlogik und die klassische Dramenform jedoch zersetzt und auf aisthetischer Ebene andere Wahrnehmungsformen angesprochen, die (noch) nicht in der Ordnung der Repräsentation festgeschrieben sind.
An der Schwelle zwischen „der Ordnung der Präsenz“ und der „Ordnung der Repräsentation“3) kann ein Konzept von Performativität angesiedelt werden, das einbegreift, „dass etwas zu tun immer auch heißt, dass ein Tun aufgeführt wird. Diese Aufführung ist zugleich eine Wieder-Aufführung, die das Anderswerden des Aufgeführten einschließt.“4)
Renate Lorenz zufolge können kulturelle Produkte wie Theater, Filme, Bilder, etc. auch als Anrufungen fungieren und sich am Prozess der Subjektivierung beteiligen.5) Sie sind aber ebenso in der Lage, die Anrufungen zu unterbrechen, wie dies von Über Tiere geleistet werden kann.6)
Von diesem theoretischen Hintergrund ausgehend, wird Jelineks Text Über Tiere des Weiteren nicht als abgeschlossenes Werk analysiert, sondern die Unabgeschlossenheit und Offenheit des rhizomatisch wuchernden Textes soll ernst genommen und in andere Dimensionen (genauer in choreographische und musikalische) weitergetragen werden. In meiner künstlerischen Forschung (Performance Art), wurde der Frage nachgegangen, was es bedeutet, wenn die Sprache selbst sprechen geht. Dabei wird Sprache selbst als Körper zu verstehen gesucht, um diesen als eigenen Klang-Körper in Resonanz zu den performenden Körpern auftreten zu lassen. Daraus resultiert die Frage nach dem Körper in Jelineks Texten für das Theater. Wie kann der Körper selbst als Resonanzkörper, der sich im Verhältnis der Resonanz zu anderen Körpern und seiner Umwelt konstituiert verstanden werden? Hier scheint auch die Relevanz auf, Jelineks Texte fürs Theater in einen theatralen Raum zu setzen, um die Möglichkeit des Anderswerdens des Aufgeführten performativ zu erschließen.

Art des Vorhabens
In meiner Diplomarbeit (Theater-, Film- und Medienwissenschaften, Uni Wien bei Frau Prof. Meister, 2014) mit dem Titel „Theater als Verweigerung. Queere Perspektiven in Elfriede Jelineks Theatertext Über Tiere“ bin ich der Frage nachgegangen, wie Jelineks ästhetische Verfahren als subversive künstlerische Praxis verstanden werden können, die einen queeren Gegendiskurs starten, welcher die durch kulturelle Narrative naturalisierte Reproduktion von Heteronormativität und die damit verbundenen Machtstrukturen angreift. Umgekehrt wurde das Potential von queer als künstlerische Strategie untersucht, um hegemoniale Normen zu unterwandern und dichotome Geschlechterkategorien zumindest aufzuweichen. Daraus entwickelte sich eine Verschränkung von sowohl theoretischer als auch künstlerischer Forschung.
Daran anknüpfend möchte ich innerhalb des Workshops einerseits der Frage nachgehen, inwiefern eine solche Verschränkung eine fruchtbare Methode ist, was sie an neuen Möglichkeiten öffnet, aber auch, wie eine solche Methode aussehen kann. Andererseits möchte ich dieser Frage konkret an dem aus meiner Diplomarbeit resultierenden Konzept eines Resonanzkörpers (siehe Abstract) nachgehen, um zu prüfen, wie weit eine Öffnung der Forschungsmethode auf künstlerische Mittel trägt, aber auch inwiefern sich ein daraus gewonnenes Konzept tatsächliche als fruchtbar für eine weitere Forschung an Jelineks Texten erweist.

Fußnoten
1) Jagose, Annemarie, Queer Theory. Eine Einführung, Berlin: Querverlag2 2005, S. 101.
2) Die Entnaturalisierung jedweder Identitätskonzeptionen, die die Differenz und Vielheit der Menschen zu vereinheitlichen und in beispielsweise einer nationalen Identität zu repräsentieren suchen, kann außerdem als Thema beschrieben werden, dass sich durch sämtliche Arbeiten Jelineks zieht.
3) Fischer-Lichte, Erika, Ästhetik des Performativen, Frankf. a. M.: Suhrkamp 2004, S. 272.
4) Seier, Andrea, Remedialisierungen. Zur Performativität von Gender und Medien, Diss. Bochum, Ruhr-Univ. 2005, S. 81.
5) Vgl. Lorenz, Renate, Aufwändige Durchquerungen. Subjektivität als sexuelle Arbeit, Bielefeld: Transcript 2009, S. 113ff, (Orig. Diss. Univ. Oldenburg 2008); zit. n.: Lorenz, Queer Art, S. 18.
6) Vgl. Lorenz, Renate, Queer Art. A Freak Theory, Bielefeld: transcript 2012, S. 18.

25.6.2014

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